Dieser Beitrag beschreibt die Entwicklungsgeschichte der Anwendung des Einphasen-Wechselstroms für die Bahntraktion in der Schweiz. Sie wurde geschrieben aus der Sicht eines Modelleisenbähnlers und nicht aus derjenigen eines Ingenieurs. Aus diesem Grunde wird hier nicht all zu tief auf einzelne Details der Technik eingegangen.
Vorgeschichte
Um 1900 herum machte es den Anschein, als würde es in absehbarer Zeit möglich werden, die bisher erst auf Flachlandstrecken von Ganz, AEG, Siemens und weiteren Firmen erfolgreich getestete elektrische Traktion auch auf Gebirgsstrecken einsetzen zu können. Hoffnung machte dabei die von BBC bei der Gornergratbahn erfolgreich eingesetzte Drehstromtechnik. Zu dieser Zeit gab es vor allem Erfahrung im Betrieb mit Gleichstrom und Dreiphasen-Wechselstrom, auch Drehstrom genannt, während der Einphasen-Wechselstrom noch weitgehend Neuland darstellte.
1904 gelang es dem Physiker Hans Behn-Eschenburg*) von der MFO, einen Lokomotivmotor für Einphasen-Wechselstrom mit phasenverschobenem Wechselfeld zu konstruieren. Bei diesem Stromsystem genügte eine einfache Stromleitung und sie ermöglichte zugleich eine sehr feinstufige Regelung des Motors (Hüpfersteuerung). Bei der Maschinenfabrik Örlikon (MFO) war man daher zu Recht überzeugt, dass sich letztlich der Einphasen-Wechselstrom hoher Spannung durchsetzen werde.
Bei den SBB war man zwar grundsätzlich an der elektrischen Traktion interessiert, weil der Betrieb mit den Dampfloks auf steilen Bergstrecken und bei dichter Zugfolge immer beschwerlicher wurde. Ausserdem galten Dampfloks auf tunnelreichen Strecken für die Fahrgäste als eine Zumutung. Einzig, welches elektrische System das Geeignetste war, war noch zu klären und das war nur mit praktischer Erfahrung möglich.
So schlug die MFO der per 1.1.1902 gegründeten SBB noch im gleichen Jahr vor, auf ihre eigenen Kosten die Strecke Seebach-Wettingen mit 15'000 Volt Wechselspannung und einer Frequenz von 15 Perioden zu elektrifizieren. Diese Strecke wurde von der MFO gewählt, weil ihre Werkhallen zu dieser Zeit über das Steinergleis direkt mit der genannten Strecke verbunden waren und nur ein paar hundert Meter entfernt lagen. Ausserdem war die Strecke eine Nebenbahn mit nur wenigen Zugspaaren pro Tag, sodass der Testbetrieb recht ungestört hätte abgewickelt werden können. Die SBB nahmen diesen Vorschlag an, doch gingen sie keine Verpflichtung ein, die Anlage und die Loks später zu übernehmen. Die MFO erhielt von den SBB für jeden elektrisch gefahrenen Zugskilometer eine Entschädigung von 60 Rappen vergütet, welche sie nach dem Eintritt von Siemens-Schuckert in den Zugbetrieb auch mit den von der «Siemens» gefahrenen Zugskilometern teilen musste.
Mit diesem Versuchsbetrieb wollten alle Beteiligten, also die MFO, die SBB zuletzt auch noch Siemens-Schuckert Erkenntnisse sammeln bezüglich der Tauglichkeit des Einphasen-Wechselstroms, dem Verhalten dieser Stromart im Alltagsbetrieb, der Einspeisung, der Fahrleitung und den Betrieb der Lokomotiven. Es gab seitens der SBB keine Forderungen nach einer speziell hohen Fahrleistung, sondern es sollte lediglich der bestehende Fahrbetrieb mit Dampfloks mit einer gleichwertigen elektrischen Traktion verglichen und die Zuverlässigkeit und vor allem auch die Wirtschaftlichkeit des Betriebs der elektrischen Traktion ausgelotet werden.
Bau der Versuchslok Nr. 1
Lange vor dem Aufbau der elektrischen Stromversorgung und dem Bau der Fahrleitung entwickelte die Schweizerische Lokomotiv- und Maschinenfabrik (SLM) im Auftrag der MFO den mechanischen Teil dieser Maschine, welcher aus zwei zweiachsigen Drehgestellen bestand und in der Mitte einen Fahrmotor trug. Dieser trieb über ein Zahnradgetriebe eine Blindwelle mit Gegengewichten an, welche über relativ kurze Triebstangen mit den Triebrädern verbunden war. Es kam eine Bremse mit je einem Klotz pro Rad zur Anwendung. Diese konnte sowohl mit Druckluft als auch von Hand betätigt werden. Der Lokkasten war asymmetrisch angeordnet und erinnerte in seiner Auslegung noch etwas an den Aufbau der Dampflokomotiven.
In der Zeit zwischen 1902/3 entwickelte MFO den elektrischen Teil der Lok. Da es im Handel noch keinen direkten Antriebsmotor gab, kam die Versuchslok Nr. 1 vorerst als Umformerlok zur Ausführung. Ein Asynchronmotor für Einphasen-Wechselstrom trieb einen direkt gekuppelten Gleichstromgenerator an. Dieser Motor wurde anfänglich ohne Umwege aus der Fahrleitung gespiesen. Die vom Gleichstromgenerator erzeugte Spannung von bis zu 600 Volt war regulierbar. Zur Erregung des Gleichstromgenerators sowie der Fahrmotoren diente eine kleine Umformergruppe von 6 KW, welche auch für das Anlassen des grossen Umformers benützt wurde.
Die Lok erbrachte 294 KW = 400 PS als Dauerleistung, wog 48 Tonnen und erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h. Im Normalfall beförderte die Ce 4/4 Nr. 1 bis zu 250 Tonnen Anhängelast und schaffte damit Steigungen von 12 Promille mit 40 km/h. Diese Lok erhielt den Kosenamen «Eva» in Anlehnung an die biblische Geschichte, weil sie die erste ihrer Art in der Schweiz war. Die Annahme wird aber nicht von allen geteilt, denn es gab Hinweise, dass es auch eine fabrikinterne Abkürzung der MFO gewesen sein könnte, welche «Elektrische Versuchs A.........» bedeutete. In eine dritte Richtung deutet der Ansatz der Quartierzeitung «Zürich Nord», welche schreibt, dass der Kosename «Eva» für die Lok erst später aufgekommen sei.
Die Lok wurde Anfang Oktober 1903 fertig gestellt und noch im gleichen Monat erfolgten erste Testfahrten auf dem Steinergleis der MFO. Dabei erfolgte der Betrieb vorerst noch mit einer Frequenz von 50 Hertz, weil zur Speisung des Gleisnetzes nur ein Transformator des Landesnetzes und noch kein Umformer für niedrigere Frequenzen zur Verfügung stand. Die Lok wurde dann bis zum Sommer 1906 für den Betrieb des Umformers auf 15 Hertz umgebaut. 1907 wurde die Lok von einer Umformer- in eine Dirketantriebslok umgebaut, wodurch ihr Gewicht auf 40,5 Tonnen sank und die Leistung auf 370 KW = 500 PS anstieg.
Aufbau der elektrischen Einrichtung
Am 21.1.1904 hat die Maschinenfabrik Örlikon (MFO) beim Seebacher Gemeinderat ein Gesuch für einen Eisenbahn-Versuchsbetrieb mit elektrischem Strom beantragt. Die Bewilligung wurde sozusagen gleichentags erteilt und die MFO richtete in der Folge in ebenso rekordverdächtigem Tempo binnen 6 Wochen das bekannte Steinergleis zwischen dem Bahnhof Seebach und der MFO auf Oberleitungsbetrieb um.
Am 12. März 1904 besichtigte der Gemeinderat zusammen mit zahlreichen interessierten Persönlichkeiten den ersten Abschnitt der Versuchsstrecke von Seebach nach Affoltern, wobei diese Besichtigung bereits mit der «Eva» und ein paar angehängten Wagen erfolgte. Siehe Foto nebenan!
Am 16. Januar 1905 erfolgte die Aufnahme des Versuchsbetriebs von Seebach bis Affoltern mit der Lok «Eva».
Im November 1905 wurde der bisherige 50-Hertz-Betrieb auf der Strecke Seebach-Affoltern auf 15 Hertz umgestellt, da mittlerweilen bei der MFO die Umformerstation für die Speisung der Fahrleitung eingerichtet worden war.
Am 1. Mai 1906 wurde der Versuchsbetrieb bis nach Regensdorf-Watt verlängert.
Am 1. Dezember 1907 war bereits die ganze Strecke von Seebach bis Wettingen elektrifiziert. Es erfolgte der reguläre elektrische Zugbetrieb der ganzen Strecke, wobei von Anfang an auch die «Siemens» mit von der Partie war. Die Linie Seebach-Wettingen durfte sich rühmen, die erste Bahnstrecke der Welt mit dem richtungsweisenden Einphasen-Wechselstrom hoher Betriebsspannung gewesen zu sein. Mit etwas kleinerer Spannung, nämlich mit 5'500 Volt, war allerdings bereits im Jahr 1900 die Murnau-Oberammergau-Bahn in Bayern, D, unterwegs. Beide Bahnlinien müssen sich den Platz an der Sonne also teilen.
Für die Energie sorgte ein Dampfkraftwerk in der MFO sowie im Bedarfsfalle das Flusskraftwerk in Hochfelden/Bülach ZH. Mithilfe zweier Umformergruppem wurde Einphasen-Wechselstrom von 700 Volt erzeugt, welcher in vier Transformatoren von 800 KW Leistung auf 15'000 Volt gespannt und an den Fahrdraht abgegeben wurde. Der Aufbau des elektrischen Systems und der Bau der ersten Lok verschlangen schätzungsweise eine Million Schweizer Franken.
Bau der Versuchslok Nr. 2
Da im Jahre 1904 der MFO, wie weiter oben bereits erwähnt, der erfolgversprechende Bau eines direkt mit Wechselstrom betriebenen Motors niedrigerer Frequenz (16 2/3 Hertz) gelungen war, entschied man sich sofort zum Bau einer zweiten Lokomotive mit diesem Motortyp, welcher keinen Umformer mehr benötigte. Diese Lok nahm im November 1905 den Betrieb auf, wobei im Prinzip der gleiche technischen Aufbau zur Anwendung kam, jedoch mit einem symmetrischen Wagenkasten und mit Stirntüren. Diese Lok, die ebenfalls die Bezeichnung Ce 4/4 bekam, jedoch als Nr. 2 bezeichnet wurde, bekam im Volksmund den Kosenamen «Marianne». In Reinhard Ochsners Broschüre «1877 - 1977 100 Jahre Bahnhof Seebach» steht, dass die Marianne noch einen weiteren Kosenamen hatte und der lautete «Mariannli». Da eine solche Bezeichnung schon sehr emotional war, dürfte zumindest dieser Kosename nicht aus einer Abkürzung der Projektbezeichnung entstanden sein. Warum sie ausgerechnet so bezeichnet wurde, ist in der vorhandenen Literatur der OGS nicht erwähnt. Die beiden Loks Ce 4/4 I und II bewährten sich im praktischen Fahrbetrieb. Von der «Marianne» ist noch überliefert, dass das Lokgehäuse bei voller Fahrt zum Schütteln neigte und nachträglich mit zusätzlichen Verstrebungen versteift werden musste.
Beteiligung von Siemens-Schuckert
Ab dem Jahr 1907 beteiligten sich auch die deutschen Siemens-Schuckert-Werke (SSW) am Versuchsbetrieb mit einem eigenen Loktyp der Achsfolge (A1A) (A1A). Die Lok wurde bei der MFO geringfügig angepasst. Vermerke von H. Schneeberger in seinem Buch über die Loks der SBB, wonach die Siemenslok mit einem eigenen Stromabnehmersystem ausgestattet werden musste sind missverständlich und wurden von der Bahnhofvorständin von Buchs-Dällikon in ihren Berichten tel quel übernommen. Gemeint hat H. Schneeberger damit, dass die Siemens-Lok für die Versuchsfahrten in der Schweiz mit einem anderen Stromabnehmer als dem in Deutschland üblichen ausgestattet wurde. Es zeigen nämlich alle Fotos, dass die «Siemens» mit dem gleichen Stromabnehmersystem von MFO betrieben wurde, wie die beiden Versuchsloks Nr. 1 + Nr. 2.
Als Heimatbahnhof stand auf der deutschen Lok: Örlikon! Dieses Wort «Örlikon» und die Nr. 3 waren die einzigen sichtbaren Veränderungen an der Bemalung der «Siemens». Der Heimatbahnhof Örlikon hatte damit zu tun, dass Siemens in Zürich keinen eigene Betrieb unterhielt, sondern den ganzen Einsatz der Lok über die MFO abwickelte. Es waren aber stets Siemens-Ingenieure bei der MFO zugegen, um die Erfahrungen nach Berlin zu melden oder technische Probleme zu lösen. Diese Lok blieb stets im Besitz von SSW und besorgte zusammen mit den Loks Nr. 1 und Nr. 2 den gesamten Zugsverkehr zwischen Seebach und Wettingen.
Die deutsche Lok war deutlich grösser, hatte eigentlich 6 angetriebene Achsen, wovon aber für den Betrieb in der Schweiz nur 4 Achsen mit Motoren ausgestattet waren, während die beiden mittleren Achsen der Drehgestelle frei liefen. Nach dem schweizerischen Serienbezeichnungssystem wäre es eine De 4/6 gewesen, doch gab es diese Bezeichnung für die Lok nie. Vielmehr behielt sie ihre firmeninterne deutsche Achsfolgebezeichnung (A1A) (A1A) bei. Trotz nur 4 eingebauten Motoren leistete sie 900 PS, erreichte 50 km/h und hatte ein Dienstgewicht von 65 Tonnen (nach H. Schneeberger 1995) bzw. 450 PS (nach SBB-Lokomotiven und Triebwagen 1985). Diese unterschiedlichen Angaben hatten damit zu tun, dass der eine Autor von zwei, der andere von 4 Motoren ausging. Welche Angaben richtig sind, liesse sich heute nur noch durch ein technisches Leistungsblatt der deutschen Lok klären. Ein solches besitzt die OGS leider nicht.
Die deutsche Lok galt damals als moderner in der Konzeption, eleganter in der Gestalt und kraftvoller im Einsatz. Die elektrische Ausrüstung war in beiden Drehgestellen und ihren Aufbauten separat vorhanden, mit Ausnahme des Kompressors. Die deutsche Lok bewährte sich im Fahrbetrieb ebenso wie ihre beiden Schwestern von der MFO. Die deutsche Lok erhielt keinen Mädchennamen als Kosenamen, doch man nannte sie während den beiden Einsatzjahren zwischen Seebach und Wettingen stets «die Siemens», was ja auch ein netter Kosename ist.
Das Ende des Versuchsbetriebs
Dieses nahte schneller als gedacht. Am 4. Juli 1909 wurde der elektrische Betrieb wieder eingestellt. Die ganze Anlage wurde abgebrochen, die früheren Dampfloks kehrten wieder zurück und die beiden Versuchsloks wurde in Seebach direkt unterhalb des Bauernhauses Wüst remisiert. Von dieser Lokremise gibt es noch eine Foto, siehe nebenan!
Ergebnisse des Versuchsbetriebs
Der Grund für das schnelle Ende des Versuchsbetriebes war der, dass die Kosten für den Betrieb der Strecke höher lagen als beim Dampfbetrieb, was allerdings daran lag, dass die Strecke so wenig Verkehr aufwies. Die SBB anerkannten zwar rückhaltlos die geleistete Pionierarbeit, waren aber nicht bereit, die Anlagen und die beiden Loks zu dem von der MFO geforderten Preis abzunehmen, obschon die MFO alles zu Selbstkosten anbot. So musste sie sich nach einer geeigneteren Strecke umsehen und stiess bei der Bern-Lötschberg-Simplon-Bahn (BLS) auf offene Ohren.
Wenige Jahre später, nämlich 1913, feierte die neue Betriebsart dort den gebührenden Erfolg. Im gleichen Jahr gelang MFO auch der Durchbruch bei der Rhätischen Bahn. So kam es, dass die BLS punkto elektrischer Traktion den SBB um viele Jahre voraus war. Erst um 1919 unternahmen die SBB erneut Versuche im Raum Thun-Bern und beschlossen dann, ihr Streckennetz doch allmählich vom Dampf- und Drehstrombetrieb auf Einphasen-Wechselstrom umzustellen. Dabei erinnerte man sich an die beiden bei der MFO abgestellten Loks, kaufte sie dann doch noch und benützte sie in Thun erneut als Prototypen, bis leistungsfähigere Lokomotiven entwickelt waren. Die SBB hielten sich bei der Umstellung anfänglich an jene Strecken, wo ausreichend Verkehr eine Rentabilität des neuen Stroms-Systems gewährleistete. Die beiden Versuchsloks überlebten noch erstaunlich lange im Rangierbetrieb.
1942 wurde die Strecke Seebach-Wettingen erneut elektrifiziert. Während des 2. Weltkrieges hatte sich nämlich gezeigt, dass die einheimische Elektrizität der importierten Kohle vorzuziehen war. Aber erst 1959 wurde der Dampfbetrieb bei den SBB gänzlich eingestellt.
Das Schicksal der Loks
Nach Beendigung des Versuchsbetriebes wurde die Lok Nr. 1 bis 1919 bei der MFO in Seebach remisiert und dann von den SBB erworben und bis 1940 als Nr. 13501 eingesetzt. Danach kam sie zur Bodensee-Toggenburg-Bahn (BT), wo sie bis 1958 eingesetzt wurde. Bis 1959 wurde sie erneut remisiert, dann von den SBB-Werkstätten in Zürich restauriert und dem Verkehrshaus Luzern (VHS) als Exponat überlassen.
Die Versuchslok Nr. 2 wurde ebenfalls bei der MFO in Seebach bis 1919 abgestellt, dann von den SBB erworben und bis 1940 als Nr. 13502 eingesetzt. Von 1940 an wurde sie von der Sensetalbahn (STB) eingesetzt und erst nach zwei grösseren Schäden im Jahre 1962 remisiert und 1964 von den SBB-Werkstätten renoviert und ebenfalls dem Verkehrshaus der Schweiz als Exponat überlassen.
Die Versuchslok Nr. 3 von Siemens-Schuckert wurde nach dem Rückzug aus dem Versuchsbetrieb von der MFO wieder in den Originalzustand von 1907 zurück gebaut und ging noch im Laufe des Juli 1909 nach Berlin zurück, wo sie während ihrer weiteren Einsatzjahre einige Verbesserungen und Umbauten erfuhr, ehe sie im Jahre 1944 infolge eines Bombenabwurfs im Rahmen der damaligen Kriegsereignisse unrettbar verloren ging. Dass sie ebenfalls gute 40 Jahre im Einsatz blieb, belegt dass sie von robuster Bauart war und konzeptionell richtig lag.
Fazit
Die SBB wollten nach dem Verzicht auf den Weiterbetrieb der Versuchsstrecke noch etwas abwarten und beobachten, welche Ergebnisse die anderen beiden Stromsysteme im praktischen Betrieb brachten und sich erst dann definitiv für ein System entscheiden. Mit dem Abwarten und Beobachten war der bereits beschlossene Betrieb der Simplonlinie mit dem Drehstrom-System von Brown, Boveri & Cie. gemeint. Dieses benötigte allerdings zwei Fahrdrähte und ein sehr kompliziertes Stromabnehmersystem. Da das Drehstrom-System aber bereits seit 1902 erfolgreich im Einsatz stand und die enge Zusammenarbeit der italienischen Staatsbahnen, dem Lokhersteller Ganz in Budapest und der BBC rechtzeitig die erforderliche Anzahl Loks für den Betrieb am Simplon stellen konnte, kam das Drehstrom-System auf der Simplnlinie definitiv zum Einsatz. Dies nicht zuletzt deshalb, weil die SBB verständlicherweise ihr eigenes mutiges Vorpreschen nicht mit dem Zukauf des Konkurrenz-Systems der MFO untergraben wollten. Gleichzeitig zwei verschiedene Systeme zu erproben, erschien den SBB zu teuer, also setzte man auf das zuerst verfügbare System und da hatte BBC die Nase vorn.
Die MFO und Siemens-Schuckert waren zwar nur wenig später mit dem Einphasen-Wechselstrom-System ebenfalls betriebsbereit, doch es brauchte dann volle 10 Jahre, bis sich zeigte, dass das Drehstromsystem störanfälliger und in der praktischen Handhabung viel antiquierter war und schon bald einmal als elektrisches Kuriosum galt. Die Loks lieferten in der Anfangsphase zwar gute Laufleistungen, waren andererseits aber doch zu langsam und in der Handhabung zu schwerfällig für einen beschleunigten Bahnbetrieb und die elektrischen Apparaturen veralteten rascher, als den SBB lieb war. Nachdem die Loks nach rund 15 Betriebsjahren immer längere und teurere Reparaturen benötigten, wurden sie nach und nach aus dem Verkehr gezogen. 1930 war die ganze Simplonstrecke ebenfalls mit dem Einphasen-Wechselstrom-System ausgerüstet und die letzten Drehstromloks wurden ausgemustert.
Der «Eva» blieb damit vorbehalten, die erste Lokomotive mit Wechselstrom von 15'000 Volt und einer Frequenz von 16 2/3 Hertz gewesen zu sein. Im Gegensatz zu den Drehstromloks, schafften sowohl die Eva wie die Marianne über 40 Einsatzjahre und das, obwohl sie eigentlich nur Prototypen waren. Die Pionierleistung der MFO, aber auch von Siemens-Schuckert wurde erst viel später als solche anerkannt. Die SBB mussten in der Folge viel länger als nötig weiterhin mit Dampf verkehren und hatten die hohen Kosten für die erneute Elektrifizierung am Simplon zu tragen. Das war der Preis des Fortschritts.
*) Sein Bruder Karl Behn-Eschenburg, Elektro-Ingenieur, wohnte 1913 in Seebach im Weiherhof und arbeitete ebenfalls bei der MFO. Hans Behn-Eschenburg wurde am 10.1.1864 in Oberstrass geboren und verstarb am 18.5.1938 in Küsnacht ZH. Karl und Hans hatten einen prominenten Vater namens Hermann-Behn-Eschenburg, welcher aus Stralsund D stammte und Professor für Anglistik war. Hans besuchte das Gymnasium in Zürich von 1881-85 und studierte von 1886-90 Mathematik und Physik, heiratete 1892 die Anna Weber. Im gleichen Jahr trat er in die MFO ein und war 1897-1911 Chefelektriker, von 1911-13 Direktor und von 1913-28 technischer Generaldirektor. Ferner war er auch Verwaltungsrat von 1919 bis zu seinem Tod im Jahre 1938. 1908 nahm er das Bürgerrecht von Zürich an. Behn-Eschenburg ist ein zweiteiliger Familienname.
Quellen: - Lokomotiven und Triebwagen der Schweizer Bahnen, Bd. 1, Peter Willen, Orell-Füssli-Verlag, 1988 - SBB Lokomotiven und Triebwagen, Generalsekretariat SBB, 1984 - Die elektrischen und Dieseltriebfahrzeuge der SBB, Hans Schneeberger, Minirex-Verlag, 1995 - «100 Jahre Bahnhof Seebach» von Reinhard Ochsner - Stefan Burkhard, D (Foto der Eva) - Bericht über den Ausbau der Furttalstrecke auf Doppelspur, Vreny Zimmermann, Bahnhofvorständin von Buchs-Dällikon - «Zürich Nord», 28.3.2007, Seite 5 (Name Eva) - Historisches Lexikon der Schweiz, 2002, Bd. 2, 160 (Behn-Eschenburg) - Adressbuch von Seebach 1913 (Adresse des Bruders von Hans Behn-Eschenbrug)
Hier sieht man die Lokremise des Bahnhofs Seebach. Sie stand direkt unterhalb des Bauernhauses Wüst. Hier blieben die Eva und die Marianne dann viele Jahre lang remisiert.