Für die Mundarten in der deutschen Schweiz und den benachbarten alemannischen Sprachgebieten gibt es zwei Schreibvarianten. Die eine ist die streng wissenschaftliche, welche vor allem von Eugen Dieth mit viel Akribie ausgearbeitet wurde und die man unter Fachleuten als Dieth-Schrift bezeichnet. Zum einen hat Eugen Dieth versucht, mit dem lateinischen Alphabet ohne viele Sonderzeichen auszukommen und dennoch klar zu unterscheiden, zwischen langen und kurzen, hellen und dunklen Lauten und der korrekten Setzung von Auslassungszeichen. Man kann in der Dieth-Schrift zahlreiche alemannische Mundarten schreiben, obwohl er sie ursprünglich stark auf seine thurgauische Heimatsprache und auf Zürichdeutsch abgestimmt hatte. Da sie an den Mundart Schreibenden hohe Ansprüche stellt und auch nach längerem Üben immer wieder zu Schreibfehlern führt und zudem im gewohnten Schriftbild stark von der hochdeutschen Schriftsprache abweicht, fand sie beim Volk kein grosses Echo und blieb den Mundartdichtern und Spezialisten vorbehalten
Der Normalmensch wünscht sich eine einfache Mundartschrift in der Art: So wie ich schwätz' so schreib' ich. Das wollte Eugen Dieth auch, doch der Volksmund will ohne lange nachdenken zu müssen Mundart schreiben. Also blieb der Volksmund dem gewohnten Schriftbild der hochdeutschen Schriftsprache treu, ganz im Gegensatz zu Dieth. Diese vom Volksmund benützte Mundartschrift kam ohne Regeln aus und wird heute von vielen Deutschschweizern der jüngeren Generation vor allem bei E-Mails, bei SMS und in Chats benützt. Für den Mundartpuristen mit Dieth-Kenntnissen ist solcher Text schrecklich zu lesen, insbesondere wenn jemand noch die Gewohnheit hat, das stumme «e» am Wortende als «ä» zu schreiben. Bei der Dieth-Schrift wiederum mochten die Leute die Doppelschreibung der gedehnten Buchstaben nicht und die Unterscheidung zwischen i und y war den meisten Menschen zu schwerfällig.
Die OGS möchte lieber darauf verzichten, diese zweite Variante zu kommentieren. Nur soviel sei gesagt: Das Problem ist fast nicht lösbar, um allen die Mundart zum Lesen schmackhaft zu machen, was vor allem daran liegt, dass der Lautwert der Buchstaben recht häufig vom hochsprachlichen abweicht. Dann gibt es bekanntlich nicht nur Zürichdeutsch, sondern noch ein paar Dutzend weitere alemannische Mundarten!
Seebacher Mundart?
Eine Seebacher Mundart gab es nie. Aber es gab Seebach-typische Wörter, welche meist nur kurzlebig waren und weiter unten behandelt werden. In Seebach wird Stadtzürcher Mundart gesprochen, also keine Seebuben, keine Ober- oder Unterländer, keine Winterthurer, keine Weinländer, keine Säuliämter Mundart. Das «r» wird nicht gelorggt*), das «s» wird kräftig gezischt, das «a» wird dunkel gesprochen, das auslaufende, unbetonte «e» wird dumpf ausgesprochen und nicht wie «ë» und die Explosivlaute p, t und k werden nicht behaucht. Hier gibt es immerhin zahlreiche Ausnahmen wie Phaul, Pheter, Phack, Phöik usw.). Das war nicht immer so und wird auch nicht immer so bleiben. Die Zürcher Lorgg-Isoglosse, das ist jene Grenze, wo man auf der einen Seite das Zungenspitzen-R und auf der anderen Seite das Halszäpfchen-R spricht, verlief früher etwa entlang der Thur in Richtung Tösstal. Heute gibt es keine so eindeutige Grenze mehr, wegen der Zuwanderung von Leuten aus lorggenden Gegenden. Im Buch «Zürichdeutsche Grammatik» von Albert Weber, 1964 und 1987, findet man mehr über den genauen Verlauf der Lorgg-Isoglosse im Kanton Zürich.
Historisches
Vor gar nicht so langer Zeit enthielt die Stadtzürcher Mundart noch viele Wörter, die scheinbar ostschweizerische Herkunft hatten wie etwa Bomm statt Baum, nüü statt neu, nüü statt 9, Chees statt Chëës, hëël statt glatt, Chalchtaari statt Chalchtööri, Funke statt Erscht-Auguscht-Füür, förbe statt butze usw. Fast alle diese Wörter finden sich in Flurnamen von Seebach und den Nachbargemeinden, wo sie teilweise bis heute überlebt haben. Sie führten auch schon zu Konfusionen, gerade auch in Seebach. Es sei nur an Nüübrunnen erinnert, welches Neubrunnen bedeutet und bei der Benennung einer Strasse 1933 fälschlicherweise zu Neunbrunnenstrasse wurde. Es gibt weitere Beispiele.
Allerdings wurden diese Wörter keinesfalls aus der Ostschweiz eingeführt, sondern waren damals fester Bestandteil der hiesigen Mundart, die früher eben noch etwas näher bei der Ostschweizerischen lag. Seit etwa 700 n. Chr., also lange bevor es die Schweiz gab, gab es das Herzogtum Schwaben, welches vom Rhein bis nach Uri und von der Aare bis zum Bodensee samt Teilen Graubündens reichte. Ausserdem gehörten ausserhalb der späteren Schweiz Vorarlberg, Allgäu, Südbaden sowie das Elsass und die Stadt Basel dazu. Der Ortsname Turgi erinnert noch an diese frühere Grenze. Zürich war Teil des Thurgaus und dieser viel grösser als heute. 861 wurde das Zürichbiet vom Thurgau abgetrennt und fortan Zürichgau genannt und zwar noch bis weit über 1548 hinaus. Für dieses Jahr ist die Bezeichnung gesichert durch die Chronik von Stumpf. Der Zürichgau liess dann später den «Gau» weg. Noch später sonderten sich auch Toggenburg, St. Gallen und Appenzell von Schwaben ab. Aus dieser Schwabenzeit stammte die früher grössere Ähnlichkeit aller damals noch schwäbisch genannten Dialekte. Das Grossherzogtum Schwaben war quasi das Alemannien und umfasste einen grossen Teil der alemannischen Sprachgebiete, ausgenommen die deutschsprachigen heutigen Kantonsgebiete Bern, Freiburg, Wallis, Solothurn, Baselland, Unterwalden und Luzern.
Eine Sprache, und noch mehr eine Mundart, ist einem steten Wandel unterworfen, welcher auch, wie oben erwähnt, durch politische Grenzen beeinflusst wird. Gerade heute, wo die Wanderung besonders gross ist, bringt auch diese Veränderungen mit sich, die sich in der Mundart ganz besonders äussern, was wir vor allem daran erkennen, dass heute auch in Zürich viel mehr gelorggt wird als früher. Auch aspiriert wird heute viel öfter als früher. Bei den Wetter'fröschen' und -'fröschinnen' am Fernsehen, die meist nicht aus Zürich stammen, hört man fast nur noch «Thëmperature», «Thessin» usw. Da braucht man sich nicht zu wundern, wenn es ihnen immer mehr Zürcher nachmachen.
Das ist weiter nichts besonderes, denn schon die ersten sesshaften Seebacher keltischer Kultur, haben das «r» gelorggt, doch mit dem Einzug der Römer verschwand die Gewohnheit nach und nach und das lateinische Zungenspitzen-R herrschte vor. Nach dem Jahre 500 hielt es sogar dem Ansturm der lorggenden Alemannen stand und hielt sich über die ganze Zeit bis etwa 1980 in weiten Teilen des Kantons. In jenen Gebieten der Deutschschweiz, wo die Römer nur eine geringe Dominanz oder Präsenz hatten und die alte, keltisch sprechende Bevölkerung vorherrschte, wurde das gelorggte «r» trotz lateinischer Sprache beibehalten. Die nach 500 einwandernden Alemannen hingegen lorggten ursprünglich, passten sich aber in den stärker lateinisch geprägten Gebieten auch andernorts dem lateinischen «r» an. Ähnliches bei der Aspiration: Jenes Latein, welches die Römer in Zürich zurück liessen, kannte das Behauchen der Explosivlaute p, t und k nicht. Und das blieb mit wenigen Ausnahmen so bis etwa 1970.
Aktuelles
Wegen dem ländlichen Charakter und der damit verbundenen grösseren Zahl von Bauern in Seebach bis in die 1960er Jahre sind aber ältere Ausdrücke, welche bei diesem Gewerbe üblich waren, etwas länger als in der Stadt Zürich üblich, erhalten geblieben. Gleiches galt für den Bereich des Arbeiterhaushaltes, welcher noch Jahrzehnte lang gegenüber dem übrigen Zürich hinterher hinkte. Dazu gehörten zahlreiche Ausdrücke, die man im Zürichdeutschen Wörterbuch von Weber/Bächtold oder in der kleinen Broschüre «Uf guet Züritütsch» von Adolf Guggenheim sowie in der ZKB-Broschüre «Züritüütsch» findet und hier kaum weiter erläutert werden müssen.
Innerhalb der Stadtzürcher Mundart gibt es aber auch noch viele, meist kurzlebige Modewörter, welche durchaus quartierbezogen sein können, dann aber auch kaum überall verstanden werden. An solche Seebacher Ausdrücke erinnert sich die OGS noch, wie etwa an:
- «verschäberäggeret» (mit zwei hellen «ä»), welches aus dem ursprünglichen «verschäbrägget» über «verschäberägget entstand = völlig abgewetzt oder in himmeltraurigem Zustand befindlich. Das helle «ä» verrät, dass es in substantivischer Form über eine Ostschweizer Mundart vermittelt wurde. Wollte man es korrekt schriftsprachlich übersetzen, müsste es verschabrackt heissen, womit wir schon bei der Herkunft wären. Das Wort leitet sich tatsächlich vom schweizerdeutschen «Schabragge» ab, welches aus dem türkischen «çaprak» übernommen wurde und ursprünglich Pferdedecke bedeutete. Allerdings waren es nicht türkische Einwanderer, welche das Wort in die Schweiz brachten, sondern gemäss Kluge wurde es über das Ungarische ans Hochdeutsche vermittelt. Erst von dort fand es seinen Weg in die Schweiz. Es fand auch ein Bedeutungswandel statt. Während einer Pferdedecke nichts Arges anhaftet, war die Schabracke schon eher eine abgewetzte Sache.
Weitere Beispiele
- «schtrudle» = essen (die Wimperntierchen aus dem Biologieunterricht lassen grüssen!)
- «süüde» = schmusen
- «Schlammräche» = Schnauz
- «fööne» = furzen
- «Flooräche» = Kamm
- «schiebe» oder «umeschtäme» = mit einer Freundin gehen
- «sträng schmöcke» = stinken
- «bogehueschte» = erbrechen
- «ungazäleförmig» = dick
- «bräit» = ziemlich dick
- «zartmollig» = vollschlank
- «schliisse» = essen
- «driichnüündle» = so richtig beginnen
Zum Schluss noch einige aus der Zeit um 1930:
- «Uf de Amboss schiisse» = Blödsinn machen
- «Schabe» = Freundin
usw.
Solche Ausdrücke findet man eher im Büchlein «Züri-Slängikon» vom Bonus-Verlag, doch leider längst nicht alle und schon gar nicht die von Seebach.
*) Das Verb «lorggen» ist Schweizer Mundart und bedeutete ursprünglich nur das Sprechen mit dem Halszäpfchen-R. Das Wort wurde speziell von Nichtlorggenden benützt, während die Lorggenden selber über den Ausdruck nicht gerade sehr erbaut waren, da sie sich keiner Schuld bewusst waren. Bei Nichtlorggenden galt lorggen einstmals sogar als Sprachfehler, so wie Lispeln! Das ist mir aus dem Kindergarten von 1950 noch bestens in Erinnerung, wo man gerne sagte: "'s Bethli lorgged!" Wobei das mit einem Unterton erfolgte, welcher darauf schliessen liess, dass dies eine Halskrankheit sei. Darauf wies auch Albert Weber in seinem Buch «Zürichdeutsche Grammatik» hin. Ich las es in der Ausgabe von 1964.
Später bekam es auch noch die Nebenbedeutung von «lallend sprechen, wie ein Betrunkener». Dafür gab es aber ursprünglich ein eigenes Wort, welches «lurggen» hiess. Wer heute unter lorggen «lallend sprechen» versteht, betreibt volksetymologisch gesehen eine Umdeutung. Da dies nicht verboten ist, muss man damit leben. In vielen Schweizer Mundarten sind die beiden Wortbedeutungen vermischt worden und «lurggen» ging im «lorggen» unter. Im Schweizer Schriftdeutsch heissen die beiden Wörter «lorken» und «lurken», werden heute aber kaum noch verwendet. Es ist im Mittelhochdeutschen als «lurgen» oder «lirgen» nachgewiesen, damals allerdings mit der Bedeutung Stottern, was zeigt, dass es damals tatsächlich als Sprachfehler angesehen wurde. Im Althochdeutschen findet sich das Wort nicht, sodass es vermutlich kein germanisches, sondern eher ein keltisches oder gallorömisches Substratwort ist, welches nur im Oberdeutschen aufgetreten ist. Nebenformen sind Lorggi (einer der lorggt), Glorgg (mit Halzzäpfchen-r gesprochener Text). Lorggen hat noch eine weitere Bedeutung: In der deutschen Mythologie ist es auch die Bezeichnung für Zwerge. Ausserdem gibt es noch den Rundwanderweg 'Lorggenring' bei Brixen im Südtirol.
Quellen: - OGS-eigene - Reinhard Ochsner - Ernst Benninger - «Zürichdeutsche Grammatik», 1964 und 1987, Albert Weber