Marie war ein weit herum bekannter Übername für die Kiosk-Inhaberin Marie Lind von der Hertensteinstrasse neben der Bäckerei Hippin in den 1950er Jahren. Manche nannten sie auch Zigarren-Marie. Sie führte ein gutes Sortiment Tabakwaren und daneben zahlreiche Heftli und Kaugummi und machte viel Umsatz mit jenen Kaugummi, wo noch eine Beilage in Form einer Indianer- oder Cowboyfigur mit dabei war. Diese verkauften sich gute zwei Jahre lang als Bestseller und viele Seebacher Buben besassen ganze Armeen von solchen Plastikfiguren. Das war um 1956-57.
Da Frau Lind einen freien Kiosk führte, gab es bei ihr auch allerlei Handelsmöglichkeiten, die heute bei einem Kiosk völlig undenkbar wären. So nahm sie gebrauchte Krimis und Wildwestromane zu guten Konditionen zurück und verkaufte sie weiter als Gebrauchthefli. Sie liefen besser als die neuen und waren stets rasch ausverkauft. Manches Heftli dürfte wohl mehrmals durch die Hände von Frau Lind gegangen sein. Ferner konnte man bei ihr auch Zigaretten einzeln kaufen (!), wobei die jungen Buben bei Eigenbedarf natürlich schamlos logen. Marie fragte nämlich immer, für wen die Zigi denn seien und da sagten die frecheren Buben natürlich stets «für ´s Mami».
Kam dann das Mami mal vorbei, so prüfte sie durch Nachfragen, ob diese Kundin ihren Sohn tatsächlich zum Einkauf einzelner Zigaretten vorbei schickte. So kam mancher Schwindel an den Tag und sie stellte dann die betreffenden Buben und sagte ihnen wie enttäuscht sie sei, dass man sie angelogen habe. Zuverlässige Kunden, sogar grosse Buben, konnten bei ihr auch anschreiben lassen, so lange es nicht ausuferte und so half sie eigentlich allen, den Lausbuben und den erwachsenen Kunden gleichermassen. Wer dann ins Raucheralter kam, blieb treuer Kunde bis zum Wegzug oder infolge Aufgabe des Lasters.