Rösslistrasse 11-13, nach 1933 Eisfeldstrasse 11-13. Die Firma hat später den Firmeneingang verlegt, denn noch 1913 lag dieser an der Bühlstrasse, (Später Bühlwiesenstrasse). Die Firma wurde gegründet und die Fabrikgebäude erbaut im Jahre 1907 durch Alfred Samuel Gyger von Zürich. Anfänglich lautete die Firmenbezeichnung Bettfedernfabrik Alfred S. Gyger, gleichzeitig aber auch Daunen- und Steppdeckenfabrik Alfred S. Gyger. Etwas später nahm sie dann den im Titel erwähnten Namen an. Sie befasste sich mit der Produktion von Steppdecken, Daunen- und Reisedecken, Bettfedern, Watte und Matratzenwolle sowie der Einfuhr von Chinamatten. Sie besass ein eigenes Büro in Schanghai, geleitet von Emil Huber-Gyger, Prokurist, einem Schwiegersohn des Firmengründers.
Prokurist war um 1907 noch ein sehr viel Ehrfurcht einflössender Titel in einem Manufakturkontor. Man sagte auch nicht Prokurist, sondern Herr Prokurist. Und auf das Büro in Schanghai war die Gyger & Co. ganz besonders stolz. Den «Herrn Prokurist» trifft man allenthalben noch in alten Schwarz/weiss-Spielfilmen, z.B. in «Der Hauptmann von Köpenick» in der Version mit Heinz Rühmann und war somit nicht bloss eine Seebacher Marotte. Auch sagte man damals noch: "Zu Befehl, Herr Prokurist!", wenn dieser etwas anordnete. Das hat sich bis heute ein bisschen geändert. So verdient ein Prokurist heute nicht mehr das Mehrfache seiner Untergebenen, sondern höchstens noch das 1,x-fache. Das bei den Prokuristen eingesparte Geld steckt man heute vermehrt in den Geschäftsführer (CEO), bei welchem man wegen der meist extrem kurzen Verweildauer in der Firma sehr hohe Saläransprüche erfüllen muss.
Die Firma gab sich in ihrem Briefkopf ebenso wie in ihren Inseraten stets als Örliker Betrieb aus, obwohl ihre Liegenschaft auf Seebacher Gebiet lag und das auch ganz genau wusste. Immerhin zahlte sie ja die Steuern in Seebach. Der Grund war damals allerdings nicht die Postleitzahl, sondern der bessere internationale Bekanntheitsgrad von Örlikon, wovon sie profitieren wollte. Sie schrieb auch nicht, dass sie in Örlikon zu Hause sei, sondern sie schmückte sich auch noch mit dem ebenso bekannten Namen Zürich und nannte den Standort ihrer Fabrik ganz bescheiden «Örlikon-Zürich», ohne jeglichen Hinweis auf Seebach.
Nachdem die Firma zum Bau ihrer Fabrik darauf angewiesen war, dass die Gemeinde Seebach den Binzmühlebach in erheblicher Weise verlegen musste, war das nicht gerade die feine Art, sich bei den Seebachern zu bedanken. Aber eben: Das Geschäft geht vor. Immerhin hat sie aber während 26 Jahren die Steuern in Seebach abgeliefert und viele Arbeitsplätze gestellt, sodass man der Firma auch einiges zu Gute halten muss.
Anfangs der 1950 wurde die Produktion eingestellt und 1976 das Fabrikgebäude abgetragen. So steht es in «Unser Seebach» auf Seite 93. Doch fehlt in diesem Beitrag noch der Hinweis, dass die Familie Gyger irgendwann ihren Betrieb weiter verkaufte. Der letzte Inhaber der Fabrik war nämlich die Firma Neukomm & Co., Steppdeckenfabrik Örlikon. Daraus kann geschlossen werden, dass der letzte Inhaber sich auf die Herstellung von Steppdecken konzentrierte und das übrige Geschäft des Vorgängers nicht mehr weiter betrieb.
In einer Internetbörse war im Dezember 2009 ein vor allem Philatelisten interessierenden Briefumschlag mit roter Wilhelm-Tell-Marke zu ersteigern. Anhand der Marke konnte die OGS dank eigenr Sammlung feststellen, dass die Erstausgabe von 1922 stammt und anhand der Stempel feststellen, dass diese Marke von 1922 bis 1933 benützt wurde. Dies ergibt ein mittleres Datum von 1927/28. Auf diesem Briefumschlag stand, dass die Firma Neukomm & Co. auch noch Daunendecken und Matratzenschoner produzierte. Der Brief ist aufgrund der Briefmarke und dem Umstand, dass noch von Örlikon die Rede war, auf die Zeit um 1930 zu datieren, sodass die Übergabe von Gyger an Neukomm vor 1930 anzusetzen ist. Im Adressbuch von 1931 erfährt man dann mehr: Die Schweizerische Bettfedern- & Steppdeckenfabrik Gyger & Co. wurde vor 1930 in zwei Firmen aufgeteilt: In eine Bettfedernfabrik Bettfedernfabrik Meyer & Cie. sowie in eine Steppdeckenfabrik Neukomm & Cie. Beide waren in der alten Liegenschaft untergebracht, die offenbar aufgeteilt wurde. Für das Jahr 1932 lauten die Assek-Nr. der aufgeteilten Liegenschaft 576 und 577. Im Adressbuch vom 1931 ist vermerkt, dass die Firma Meyer & Cie. an der Rösslistrasse 11, nach 1933 Eisfeldstrasse 11, domiziliert war und sich als Import- und Export-Firma bezeichnete. Inzwischen besitzt die OGS auch das Adressbuch von Seebach von 1913 und schon dort finden sich zwei Einträge:
- Fabrik für Bettfedern & Flaum, Gyger & Cie. - Fabrik für Steppdecken, Neukomm & Paur
Daraus kann geschlossen werden, dass die Firma schon ziemlich bals nach der Gründung aufgeteilt wurde. Grund unbekannt.
Im weiteren ist hinzu zu fügen, dass die in «Unser Seebach» erwähnte Schliessung der Firma nur die Eigenproduktion am Standort Eisfeldstrasse 11-13 betraf. Die Neukomms haben danach ein Verkaufsgeschäft an der Regensbergstrasse 126, diesmal tatsächlich in Örlikon, eröffnet und weiterhin exklusive Bettwaren verkauft, allerdings nicht mehr selber produzierte, sondern eingekaufte. Die Firma trug in ihrem Namen den Zusatz «Atelier für exklusive Bettwaren». Das Geschäft wurde seit 1988 noch bis 2003 als Einzelfirma weiter betrieben von der Frau des letzten Firmeninhabers, Frau Renate Neukomm-Arnold. Während dieser Zeit nannte sich die Firma «Neukomm & Co, Inhaberin Renate Neukomm». Die Geschichte der Schweizerischen Bettfedernfabrik ging damit nach 96 Jahren am 12. Februar 2003 definitiv zu Ende, als die Inhaberin das Ladengeschäft vermutlich aus Altersgründen aufgab. Frau Renate Neukomm wohnt weiterhin in Örlikon.
Noch ungeklärt ist auch, was mit der Liegenschaft zwischen etwa 1953 und 1975 geschah, ob sie weiter vermietet wurde oder leer stand. Jedenfalls stand zum Zeitpunkt des Abbruchs immer noch der Name Neukomm & Co. auf dem Bürogebäude.
Quellen: - Fotos Baugeschichtliches Archiv Zürich (BAZ) - «Unser Seebach» 1983, 93 - OGS-eigene - Moneyhouse Handelsregister- und Firmendaten - Erwin Lori - Adressbuch 1931-33 von Örlikon, Seebach, Schwamendingen, und Affoltern