Seit etwa Sommer 1962 war ich im Besitze eines wunderschönen Seebacher Feru-Mofas namens «FERU-ILO Spezial» von der Ausserdorfstrasse 33. Es war eine Eigenkonstruktion des Ferdinand Ruppnigs, von welchem er mehrere hundert Stück baute, einige wenige mit ILO-Motor, der Rest mit Sachs-Motor. Das Mofa besass ein altes Speichenschloss, aber sonst war es ungesichert. Da es zudem bloss 45 kg schwer war, wäre es für einen Übeltäter ein leichtes gewesen, es zu stehlen. Doch an so was dachte ich überhaupt nicht. Ich war ja froh, dass ich dem Hersteller die monatlichen Raten von Fr. 57.-- stets pünktlich bezahlen konnte.
Eines schönen Tages stellte ich mein Mofa in der Veloanlage im Innenbereich bei der Blumenanlage an der Tramendstation Seebach ab, verschloss es und fuhr mit dem Tram in die Stadt, um bei Modellbau Troendle etwas für mein Modellflugzeug zu kaufen. Etwa zwei Stunden später war ich wieder zurück und begab mich zu meinem Mofa. Doch so scharf ich mein Auge auch fokussierte, an der Stelle wo es hätte stehen müssen, stand es nicht mehr. Ich suchte es eine Reihe weiter vorne, dann eine Reihe weiter hinten, aber mein Mofa blieb verschwunden. Ich spürte plötzlich, wie mein Herz pochte und wie Angst und Ohnmacht über mich kamen. Das konnte doch nicht wahr sein, dass da jemand meinen ganzen, einzigen Besitz gestohlen hatte! Ich fiel wie in ein Loch.
In diesem Moment kam ein älterer, leicht untersetzter und offenkundig auch gut genährter Herr auf mich zu. Sein Auftritt war demjenigen von Polizischt Wäckerli nicht unähnlich und auch seine Stimme war ähnlich sonor und so ungemein beruhigend. Er frug mich, ob ich etwas vermisse und ich berichtete ihm von meiner Not. Dann bohrte er weiter: "Haben sie Ihr Mofa auch gut versichert?". "Nein!" war meine Antwort und sofort hakte er ein. "Das dachte ich mir! Ein so teures Gerät muss man unbedingt versichern. Wäre ihr Mofa bei mir versichert, dann bekämen Sie jetzt den Zeitwert bezahlt, bar auf die Hand, ohne langes Warten! Aber passen Sie auf, junger Mann, Sie haben nämlich Glück gehabt. Ihr Mofa wurde nicht gestohlen. Ich habe es nur woanders hingestellt, um Ihnen auf eindringliche Art zu zeigen, welche Gefahren einem unversicherten Mofa drohen!"
Total erleichtert folgte ich ihm zur hintersten Reihe der Veloständer, wo er auf mein Mofa zeigte. Mit noch grösserer Erleichterung erkannte ich es als das meinige. Der Versicherungsagent mit der wohlwollenden Stimme hub erneut an und meinte nun: "Ich gehe sicher nicht falsch in der Annahme, dass sie das Versäumte nun rasch nachholen wollen." Bedächtig holte er aus seiner schwarzen Mappe einen grossen Block, zückte den Kugelschreiber und begann völlig selbstverständlich mit dem Ausfüllen des Formulars, während ich ihm ganz gedankenverloren, ja fast schon geistesabwesend alle Angaben machte, die er wissen wollte. Zum Schluss musste ich nur noch unterschreiben und schon war mein Mofa versichert, notfalls auch gegen Diebstahl durch Versicherungsagenten auf Kundensuche.
Um Seebach nicht als Mekka der schlauen Versicherungsagenten zu verunglimpfen: Ich traf den Mann etwa zwei Jahre später bei der Epa an der Sihlporte wieder, wie er gerade einem Mofafahrer eine Versicherung verkaufte. Er betrieb sein schlaues Handwerk also überall.
Wieder waren jährlich Fr. 20.-- weg, dafür konnte ich jetzt beruhigt mein Mofa wo auch immer abstellen. Wohl deshalb wurde es in den folgenden 5 Jahren nie gestohlen.
Hier sieht man die vollständigen Velostände im Inneren der Tramschleife. Hier hat der schlaue Versicherungvertreter mir die Töffliversicherung untergejubelt.