Als 1956/57 das Schulhaus Buchwiesen 3 erbaut wurde, gab es einen beträchtlichen Aushub, welcher rund um die Baustelle auf hohen Erdhaufen deponiert wurde. Insbesondere jene Erdhaufen, wo kiesiger Untergrund und Humus nahe beieinander lagen, waren sehr beliebte Kinderspielplätze, weil sich da bei Regen Pfützen bildeten, welche besonders zum Spielen reizten. Eine recht beachtliche Pfütze hat es auch mir und meinem kleinen Bruder angetan. Wir waren damals 14 und 10 Jahre alt. Während der kleine Bruder mit seinen Spielzeugautos etwas weiter unten Strassenspuren in den Humus einarbeitete, machte ich mich mit einer Holzstange an einer grossen Pfütze zu schaffen, indem ich versuchte, in Richtung des kleinen Bruders ein Loch zu bohren.
Absicht war natürlich, den kleinen Bruder mit einem Wasserschwall ein wenig zu überraschen. Doch das Loch wollte einfach nicht zustande kommen, sodass ich weiter bohrte, bis dass sich ein gewaltiger Schwall halbzähflüssiger, dunkelbrauner, kotiger Brei in Richtung Bruder ergoss und ihn voll erfasste und zwar buchstäblich von Kopf bis Fuss. Der Kleine erschrak fürchterlich und begann lautstark zu heulen. Nebst dem Verlust der Autos, die nicht mehr gefunden wurden, hiess es eiligst nach Hause zu gehen, den kleinen Bruder ständig beschwichtigend, das Schreien doch endlich zu unterlassen. Zahlreiche Hausfrauen, aufgeweckt durch das Schreien, sahen natürlich den kleinen, braunen Bruder und schlugen die Hände über dem Kopf zusammen.
Zuhause angekommen, gingÂ?s gleich über den Hintereingang in die Waschküche, wo ich dem Kleinen die Kleider auszog und sie im Spülbecken notdürftig wusch. Dann ging es ans Schrubben des Bruders, mit kaltem Wasser notabene, denn eine Dusche gab es im Keller nicht. Die Wäsche hängte ich zum Trocknen an die Sonne und es gab frische Klamotten für den Bedauernswerten.
Kaum neu angezogen, kam auch schon die Mutter nach Hause und sah die ganze Bescherung. Schon auf dem Heimweg erfuhr sie, was geschehen war und sie ahnte richtig, dass der grosse Bruder wieder einmal etwas Dummes angestellt hatte und befahl mir zu schweigen, während dessen der kleine Bruder berichten musste, was geschehen war.
Ausserdem wusste sie von anderen Vorkommnissen, dass ich den kleinen Bruder gerne plug. Entsprechend hart fiel die Strafe aus: Ich musste alle Dreckspuren auf der Terrasse über die Kellertreppe bis in die Waschküche beseitigen, eine Woche lang das Abwaschen des Mittagsgeschirrs vom kleinen Bruder übernehmen und erhielt die bedingungslose Pflicht aufgebrummt, dem kleinen Bruder besser zu schauen und ihn zu beschützen! Ausserdem musste ich drei meiner Spielzeugautos an ihn abtreten! Ich habe seither nie mehr mit einem Stecken Löcher in Humushügel gebohrt. Zu sehr schmerzte der Verlust der kleinen Tinky Toys.
Als dann abends der Vater nach Hause kam, fürchtete ich mich aber umsonst. Dafür wollte dieser ganz genau wissen, warum ich denn das Loch gebohrt hätte. Da es keinen Sinn mehr machte zu lügen, gab ich den wahren Grund an und bekam dann eine Standpauke zum Thema brüderlicher Beistand zu hören. Der Vater sprach auch von Abgründen des Bösen, die es zu verlassen gälte. Zum Glück entwickelte sich der kleine Bruder dann sehr schnell zu einem selbstsicheren jungen Buben, sodass sich der Bewachungsaufwand in Grenzen hielt. Aber auch ich geriet nicht in die erwähnten Abgründe des Bösen, denn offenbar fruchtete die Erziehung.