Primarlehrerin, 1951 bis 1953 im Provisorium Schönausaal. Nelly Friedrich war eine ziemlich junge Lehrerin, war schlank und hatte eine helle Stimme, die sie beim Singen ganz besonders zur Geltung bringen konnte. Die Töne, welche ihrer Kehle entsprangen, waren naturrein. Sie war blond und trug meist pastellfarbene Kleider. Ihr Naturell wirkte auf die Schüler etwa so wie die elterlichen Schilderungen über die lieben Engel. Obwohl sie in Sachen Ordnung und Disziplin recht strenge Regeln durchsetzte, war sie in pädagogischer Hinsicht äusserst angenehm zu ertragen. Sie besass im wahrsten Sinne des Wortes die Geduld eines Engels. Sie war immer guter Laune, lächelte häufig und man fühlte sich bei ihr wohl umsorgt und vor allem sehr geborgen. Meine Mutter war von der Lehrerin ebenfalls sehr angetan und wusste, dass ihr Kind bei ihr in besten Händen war.
Da das neue Schulhaus erst mit Verspätung fertig gestellt wurde, erfolgte der Unterricht bis zum Frühling 1953 im Schönausaal. Der Unterricht unterlag aber keinen Einschränkungen, ganz im Gegenteil. Ein so grosses Schulzimmer dürften nur die wenigsten Schüler in der Stadt Zürich gehabt haben. Nelly Friedrich war eine sehr auf Gerechtigkeit und unendlich viel Geduld ausgerichtete Lehrerin, welcher von den Schülern sehr viel Sympathie entgegen gebracht wurde.
Visitator war Herr Willy Wagner, Redaktor, Binzmühlestrasse 257 aus Affoltern. Nelly Friedrich hat den Visitator im voraus angekündigt und die meisten Schüler hatten anfänglich ein etwas mulmiges Gefühl und gaben sich viel Mühe, um ja nicht unangenehm aufzufallen. Herr Wagner machte ein- oder zweimal pro Jahr einen Schulbesuch und erwies sich glücklicherweise als äusserst gemütlicher, freundlicher Herr, welcher den Unterricht scheinbar wohlwollend und schmunzelnd mit verfolgte. Er hatte eine sonore, leicht vibrierende und beruhigende Stimme und war der Inbegriff von Gutmütigkeit. Schon bei seinem ersten Besuch wich das Unbehagen völliger Entspannung.
Nelly Friedrich wohnte an der Regensbergstrasse oder zumindest ganz in der Nähe, so die Erinnerung. Leider verliess sie Seebach im Frühling 1953, sehr zum Bedauern aller Schüler und Mütter. Da ich als ihr Schüler nicht zu den pflegeleichtesten gehörte, hatte sie etwas mehr Arbeit mit mir, doch wäre ich nie und nimmer in der Lage gewesen, ihre Geduld zu strapazieren. Wenn es zu Elterngesprächen kam, hat sie sich nie über mein Verhalten beklagt, sondern höchstens von einem kleinen Schlingel gesprochen, den man gelegentlich auch mal am Öhrchen zupfen müsste. Das war ein Hinweis an meine Mutter. Nelly Friedrich hat ihre Schüler nie geschlagen, das hatte sie nicht nötig. Ihre Autorität bestand in ihrem Wesen. Nachfolgerin wurde Frau Hedwig Wipf, die dann einen Tick strenger war.
Von den beiden Schuljahren mit Nelly Friedrich gibt es keine Klassenfotos, da diese üblicherweise nur in den Abschlussjahren der Unter- Mittel- und Oberstufe erfolgen. Von Nelly Friedrich gibt es daher keine Foto. Von ihren Schülern hingegen schon, man muss einfach die Abschlussklasse 1953 unter Hedwig Wipf aufsuchen unter http://www.lehrmittelverlag-zuerich.ch.