Die rumänischen Mititei in der heutigen Zubereitungsweise gibt es frühestens seit etwa 1850. Einer Sage zufolge wurden sie in einem Bukarester Restaurant namens 'Hanul La Iordachi' schon im 19. Jahrhundert 'erfunden', weil dort die Wurstdärme ausgegangen seien. Schriftlich belegt sind sie aber erst seit 1902 für das Bukarester Restaurant 'Carul cu bere". Schon zuvor gab es aber ähnliche Würstchen, ursprünglich noch in Wurstdärmen, doch war ihre Herstellung mit dem Wiegemesser so aufwändig, dass sie keine grosse Verbreitung fanden. Grund für die plötzliche Beliebtheit der Mititei war wohl die Erfindung des Fleischwolfs vermutlich kurz vor 1850 durch Karl Drais. Es dauerte allerdings noch ein Weilchen, bis die ersten Fleischwölfe in grösseren Serien hergestellt wurden und den Weg nach Rumänien fanden. Erwähnt wird eine deutsche Maschinenfabrik Alexander um 1880, dessen Inhaber die Idee aber aus Amerika mitbrachte.
Kleine Grillwürstchen in der Art der Mititei gibt es nicht nur in Rumänien, sondern auch ganz speziell in den umliegenden Ländern, allen voran Moldawien, Bulgarien, Serbien, Kroatien, Montenegro, Nordmazedonien, Griechenland, Türkei und Ungarn. Da sie sich alle in geschmacklicher Hinsicht gut voneinander unterscheiden, gibt es keinen Streit, wo sie erfunden wurden: Ein jedes Würstchen in seinem Land! International am bekanntesten sind heute in Westeuropa die Cevapcici wie man sie in den südslawischen Ländern kennt.
Sie werden meist aus magerem Rindfleisch hergestellt, doch gibt es regionale Varianten, wo man auch Schwein oder Lamm mit verwendet.
Cevapcici
Cevapcici ist die Verkleinerungs- und Mehrzahlform von Cevapi. Sie sind in allen südslawischen Ländern verbreitet und gelten als dortige Spezialität. Cevapcici sind damit die südslawische Variante der Mititei. Auch die Cevapcici sind kleine grillierte Würstchen aus Hackfleisch.
Das Wort geht vermutlich auf Cevapi zurück und stammt aus der Zeit des Osmanischen Reichs und ist eine Ableitung aus den türkischen Wörtern Kebap und Sis, was grilliertes Fleisch am Spiess bedeutet. Die ganz exakte Etymologie des Wortes ist noch nicht sicher gedeutet. In Bosnien & Herzegowina, in Griechenland sowie in der Türkei sind damit etwa 5 cm lange Hackfleischwürstchen gemeint, in Serbien sind sie eher 10 cm lang. In Bulgarien sind sie noch um einiges länger und heissen dort Kebaptscheta. Das Fleisch wird mit viel Knoblauch zubereitet, gesalzt, gepfeffert und papriziert.
In Albanien heissen sie Qebape und in der Mehrzahl Qebapi, in der Slowakei Cevapcici, in Tschechien Cevabcici, in Griechenland Sutzukakia und in der Türkei Kebab.
Mititei
Die Mititei (sprich Mititeï) stammen aus Rumänien. Man erhält sie aber auch in Moldawien und in der Südwest-Ukraine. In diesen drei Ländern gibt es auch sehr ähnliche Rezepte. Man brät oder grilliert die Mititei in Rumänien vorwiegend im Sommer und dann meist bei festlichen Veranstaltungen, in Vergnügungsparks und Jahrmärkten, aber durchaus auch zuhause. Man nennt sie kurz Mici (sprich Mitsch). Direkt vom Grill schmecken sie am besten. Da ich mehrere Reisen in Rumänien unternahm, hatte ich Gelegenheit, viele Variationen der Mititei kennen zu lernen. Das rumänische Gericht war eine Leibspeise einer mir von der Arbeit her bekannten Familie Cherestes aus Dübendorf, welche aus Siebenbürgen stammte.
Die Mititei wurden oft von Luiza Cherestes bei unseren gemeinsamen Essen am Freitag Abend zubereitet. Das häufige Auftreten dieser Grillwürstchen an diesen Abenden ergab sich dadurch, weil Luiza Cherestes in aller Regel immer ein Viergang-Menü zubereitete: Eine Vorspeise, 2 Hauptgänge und eine Nachspeise. Die Mititei gehörten dann immer zur Vorspeise. Und vor der Vorspeise gab es zuerst einmal einen Tuica (sprich Zuika), damit die Speiseröhre für die rassig gewürzten Würstchen anständig vorbereitet war. Auch zu den Mititei trank man in der Regel einen Tuica, erst dann folgte das Bier oder der Wein.
Ein wenig archaisch wirken für den Mitteleuropäer die etwas älteren Rezepte für diese Würstchen, denn es steht dort manchmal noch geschrieben, dass man das Fleisch für die Würstchen einem soeben geschlachteten Rind aus dem noch dampfenden Leib heraus trennen sollte! Neuere Rezeptbücher umschreiben das mit 'schlachtwarm'. Noch 1990 stand im Lexikon der Küche von Richard Hering, dass man für die Mititei schlachtwarmes Rindfleisch zu verwenden habe. Auch benützten die älteren Rumänen noch Rindertalg, den sie der Hackfleischmasse beifügten. In moderneren Rezepten liest man nichts mehr dergleichen. Man kann auf beides verzichten, insbesondere der Rindertalg entspricht heute nicht mehr so ganz den Anforderungen an eine gesunde Ernährung.
Da die Rumänen mindestens 20 Nationalgerichte kennen, gehören, wie könnte es anders sein, auch die Mititei dazu. Sie haben die gleiche Bedeutung, wie bei uns ein guter Grill-Cervelat, nur sind diese Würstchen, wie mir scheint, noch einen ganz ordentlichen Tick besser. Wenn man gegenüber einem Rumänen das Wort Mititei fallen lässt, dann hellen sich seine Gesichtszüge sofort auf und er gerät in eine Art Verzückung. Dieses zeigt, dass die Würstchen etwas Besonderes sein müssen. Und noch etwas zur Statistik: Ein Rumäne oder eine Rumänin isst im Jahr durchschnittlich 1 kg Mititei, Grossmütter und Säuglinge sind da mitgezählt. Das sind gute 20 Würstchen pro Kopf und Jahr! Und da die Rumänen etwa 20 Nationalgerichte kennen, wird mit einem Mal klar: In Punkto gutem Essen gehört Rumänien zu den führenden Nationen Europas.
Bis man es allerdings schafft, einen Rumänen mit den nach schweizerischen Kochregeln zubereiteten Mititei in Verzückung zu bringen, muss man schon ein paar Mal üben. Als ich sie zum ersten Mal briet und Joan Cherestes vorsetzte, hat er nicht einmal gemerkt, dass dies Mititei hätten sein sollen. Dabei habe ich mich, wie ich meinte, strikt ans rumänische Rezept gehalten. Dieses zeigt, dass ein Rezept allein nicht genügt, es braucht auch noch die Beschreibung der Prozedur und ein paar Tipps von einem erfahrenen rumänischen Mititei-Grillstandbetreiber. Und besonders wichtig ist: Man muss eben bei der Zubereitung mit den Mititei reden.
Die Mititei brate ich auch heute noch regelmässig. Sie werden von meinen Kindern heiss geliebt und wenn alle vier am Tische sitzen, dann brauchte es früher, als sie noch klein waren, mehr als 20 Stück. Da sie heute alle vier meist mit Partnern erscheinen, sind 50 Stück gerade angemessen. Da diese Würstchen seit 1975 zum Grundstock der Wirz'schen Rezeptsammlung gehören, gelten sie als Familienrezept und erscheinen deshalb in der OGS-Seebach. Siehe unter Mititei!
Mititei gelten in Westeuropa bei vielen Leuten als sehr archaische Art, gehacktes Fleisch zu essen. Bei den Liebhabern hingegen, allen voran jenen, welche den Aufwand nicht scheuten und sich ein paar Mal in einem südosteuropäischen Kulturland umgeschaut haben, sind und bleiben sie in alle Ewigkeit der Inbegriff des natürlichen Essens. Bei der Zubereitung erwachen in einem Manne längst vergessene Urinstinkte, ganz speziell, wenn es an das Entfachen des Grills, an das Braten der Würstchen und an das Vornetzen der Kehle mit Tuica (Pflaumenschnaps) geht.
Quellen: - Luiza Cherestes - OGS-eigene - Wikipedia (wann und in welchen Restaurants) - www.rennkuckuck.de (Rumänienseiten) - http://www.hoio.ch/index.php?id=692