OGS Seebach - Beitrag

Holländer-Dreirad
Fahrzeuge – Kinderfahrzeuge – historisch
Unter einem Holländer-Dreirad, kurz Holländer genannt, verstand man ein spezielles Kinderdreirad, bei welchem man nicht mit den Füssen die Pedalen am Vorderrad treten, sondern mit beiden Händen je eine Kraftstange vor- und zurückbewegen musste. Diese Kraftstange war relativ lang, sodass man viel Kraft auf die Stange bringen konnte, daher die Bezeichnung. Gesteuert wurde das Gefährt mit den Füssen, welche man auf eine verlängerte Achse am Vorderrad hielt. Gut trainierte Buben erreichten damit Geschwindigkeiten von über 20 km/h und waren den anderen Buben mit ihren Dreirädern bei weitem überlegen. Eine kurze Zeit lang konnten sie auch einem Velofahrer folgen. Das Original wurde in Nyon VD hergestellt, hiess «Cyclo Skiff» und war knallrot oder blau erhältlich, hatte einen gelben oder blauen Plastiksattel und wurde von 1950 bis 1960 hergestellt. Auf Französisch nannte man ihn Cyclorameur, auf Deutsch auch Ruderrenner. Dies vermutlich, weil man zum Fahren Ruderbewegungen machen musste.

Im Schönauring gab es um 1952 gleich mehrere Buben, welche einen solchen Holländer fuhren. Einer von ihnen hiess Beppi alias Peter Schär, ein lässiger Bub, welcher ziemlich selbstsicher auftrat und etwa Jahrgang 1941 oder 1942 hatte. Es ist aber nicht sicher, ob der von ihm gefahrene Holländer auch ihm gehörte. Besonders hervorgetan hat sich auch Hans Kaspar Schaffner mit einer schönen, roten Ausführung von Wisa Gloria», welche ihm sein Vater bei Velo-Hoeffleur an der Friesstrasse kaufte. Robert Bäriswyl wusste noch den Preis im Jahre 1956: Fr. 99.--. Er hat einen solchen von seinem Götti bekommen und erinnert sich noch, dass er immer wieder die Hände aussen aufgeschunden hatte, weil er das Gefährt im Allemannensteig in Zürich gefahren hatte und dort hatte es rundum hohe Mauern.

Chäschpi, wie ihn die Buben nannten, fiel allerdings nicht direkt durch Platzhirsch-Allüren auf, sondern dadurch, dass er die Rümlangstasse eine ganze Zeit lang unsicher machte, indem er dort offenbar Geschwindigkeitsrekorde zu erzielen versuchte. Wenn es je so etwas wie eine Holländer-Mauer gegeben hat, dann hat er sie mit Sicherheit durchbrochen! Vielleicht war er sogar Schuld daran, dass sich in Seebach die Mädchen nicht so recht trauten, damit herum zu fahren, denn sie fanden den Holländer zu «gfürchig». «Chäschpi» hat da mit Sicherheit seinen Beitrag geleistet, denn sein Holländer erreichte vermutlich über 30 km/h. Der Holländer hatte, gleich wie das gewöhnliche Dreirad, keine Bremsen. Gebremst wurde mit Gegendruck auf die Kraftstangen.

Ich war damals noch ein kleiner Bub und bettelte beim Vater um einen solchen Holländer, doch hat er mir diesen Wunsch wegen den hohen Kosten nie erfüllen können. Den Holländer bekam man übrigens nicht nur bei Velo-Hoeffleur an der Friesstrasse 19, sondern auch bei Jelmoli in Örlikon oder dann bei Franz Carl Weber in der Stadt. Diese Läden führten ein Modell der Marke «Wisa Gloria». Es gab aber auch andere Marken, wie etwa «Cyclo-Skiff» usw. Der «Cyclo-Skiff» galt als der Ferrari unter den Holländern und ging im Gegensatz zu den Konkurrenzmodellen nur selten kaputt, da seine Mechanik sehr massiv gebaut war. Es gibt immer wieder gebrauchte zu kaufen. Wenn sie in guten Zustand sind, erzielen sie Preise um Fr. 120.--, renovationsbedüftige Exemplare erreichen aber auch noch bis Fr. 80.--.

Wegen den damit erzielbaren Geschwindigkeiten gab es auch Unfälle. Ausserdem war die Kraftübertragung und die Qualität der Lenkstangen meist die Schwachstelle der Geräte, die daher oft beim Mechaniker landeten. Ersatzteile waren zudem rar, sodass die Kinder Wochen lang auf die Reparatur ihres Spielzeuges warten mussten. Die Summe dieser Nachteile dürften dem Gefährt, so originell es auch war, einen grösseren Erfolg verwehrt haben. Jene aber, die einen Holländer besassen, wissen heute noch darüber zu berichten, dass ihnen nicht selten die Augen tränten, weil sie damit so schnell fahren konnten.

Der Cyclo-Skiff wird immer noch oder wieder produziert. Mehr siehe unter
Schläpfer Bruno, Mechaniker, Techn. Spez. Produkte, Tösstalstrasse 188,
CH-8636 Wald
info@bsjw.ch
www.bsjw.ch

Der Holländer für die Kinder war aber nicht das einzige Vehikel, welches diesen Namen trug, denn man bezeichnet auch heute noch die dreirädrigen Velos, welche gerne von Senioren und Behinderten gefahren werden, ebenfalls als Holländer. Für gut erhaltene Holländer-Velos zahlt man heute so um die Fr. 300.-- oder mehr. In Seebach fuhr in den 1950er Jahren ein Sohn der Bernhards im Schönauring ein solches Velo.

Eine dritte Art Holländer stellt der «Carver One» dar, entwickelt von Vandenbrink in Holland. Wo denn sonst? Auch Wikipedia schreibt in seiner Definition dieses Fahrzeugtyps, dass es autoähnlich sein könne. Der Carver One ist die motorisierte Variante, welche zusätzlich noch in die Kurven liegen kann. Der winzige Daihatsu-4-Zylinder-Turbo-Motor leistet 68 PS. Das Fahrzeug wurde am 28. März 2006 in der Zeitschrift «Focus» detailliert und begeisternd beschrieben. Preis damals rund 30'000 Euro. Für die Vermarktung war dann eine holländische Firma zuständig, die Produktion wurde auswärts vergeben. Der Absatz lief nicht so flott wie gedacht, sodass die holländische Firma ihren Betrieb einstellen musste. Heute wird das Fahrzeug in Deutschland produziert und zwar von Hand und nur auf Bestellung. Die Ersatzteilversorgung ist gesichert. Der Preis stieg in der Zwischenzeit etwas an. Mehr siehe unter: http://www.focus.de/auto/fahrberichte/tid-6017/fahrbericht-carver-one_aid_58849.html sowie unter http://www.2drive.info/. Hier findet man auch die Anschrift der heutigen Firma «2Drive Deutschland GmbH & Co KG».

Eine vierte Variante stellt wieder eine Art Kinderdreirad dar, die unter dem Namen «Kid's Trikking» verkauft wird. Sie ist nur für Kinder ab 6 Jahren zugelassen. Der Antrieb erfolgt durch rythmisches Bewegen des Steuerrades. Die Steuerung erfolgt über das gleiche Steuerrad, welches etwas an einen Formel 1-Wagen erinnert. Neuwertig kostet er um Fr. 200.--.

Zur dritten Art von Holländern gehören eigentlich auch die ehemaligen deutschen Matador- und Rapid-Kleinstlaster, ferner der Reliant-Personenwagen (über den sich Mister Bean so gerne lustig machte) aus Grossbritannien sowie die Ape-Kleinstlaster von Paggio. Noch nicht geklärt habe ich ausserdem, wieso man nur jene dreirädrigen Fahrzeuge, welche vorne ein Rad und hinten deren zwei aufweisen, als Holländer bezeichnet, denn die Morgan-Dreiräder, die österreichischen Felber und die deutschen Messerschmitts, die BMW Isettas usw. werden nicht zu den Holländern gezählt, da diese das Einzelrad hinten hatten. Unerwähnt bleiben die zahlreichen süostasiatischen, indischen und chinesischen Varianten. Andere Bezeichnungen für die Dreiräder sind Trike, Threewheeler, Aquaruium, Knutschkugel, Schneewittchensarg usw.

Falls Sie sich durch die schnellen Holländer-Dreiräder in der Art des Cyclo Skiffs auch in Sachen Geschwindigkeit angesprochen fühlen, dann schauen Sie doch auch meinen Beitrag Kinderrennwagen an!

Quellen:
- OGS-eigene
- Hans Kaspar Schaffner
- Franklin Fehr (Hinweis zur Qualität des «Cyclo-Skiff»)
- Robert Bäriswyl, (Preis und Fahrerlebnis mit dem Wisa-Gloria-Modell)

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