Frau Wintsch-Fürst, wohnhaft gewesen an der Grubenackerstrasse 109 schrieb am 7. Januar 1991 ein paar kleine Lebenserinnerungen zum älteren Seebach mit dem Titel "Alt Seebach 1948". 1948 zog sie mit ihrem Mann und den drei Kindern von Schaffhausen in eines der 16 kleinen Einfamilienhäuser, welche die Baugenossenschaft Linth-Escher eben neu erstellte. Ihr Sohn hat diese kleinen Erinnerungen seiner Mutter aufbewahrt und am 14. August 2020 der OGS-Seebach für die Publikation zur Verfügung gestellt. Da darin auch Dinge erwähnt werden, für die in der OGS-Seebach bereits ein Beitrag besteht oder geplant war, habe ich ihre Notizen in die jeweiligen Beiträge eingefügt. Damit aber ihre Arbeit auch als Ganzes erhalten bleibt, finden Sie diese nachfolgend in voller Länge. In Klammern ergänzende Bemerkungen der OGS.
-------------------- Alt Seebach 1948 --------------------
Im September 1948 sind wir von Schaffhausen nach Seebach umgezogen und zwar dahin, wo die Baugenossenschaft Linth-Escher 16 Einfamilienhäuser für Familien mit Kindern zum Kauf anbot. Wir konnten in ein solches Haus einziehen, weil mein Mann Bürger von Zürich war und weil wir drei Kinder hatten. Die Häuser waren damals subventioniert. Als unsere beiden Mädchen die Mittelschule beendeten, hätten wir die (städtische Subvention) von Fr. 14'000.-- innert zweier Monate zurückzahlen sollen. Das konnten wir nicht, denn es war kein Geld da. Mein Mann brachte es dann fertig, dass ihm die Stadt 2 Jahre Zeit liess.
Da wo die Häuser standen, war zuvor die Gärtnerei Weiss. Das kleine Wohnhaus, in welchem die alte Frau Weiss mit ihrer Tochter wohnte, stand dann noch einige Jahre leer. Die Tochter der Weiss hat noch viele Jahre im Kirchenorchester Seebach Geige gespielt.
Wenn man nach Örlikon einkaufen ging, kam man an der Allmannstrasse an einem sehr kleinen Lebensmittelgeschäft vorbei. Noch weiter vorne, an der Ecke Allmann-/Eisfeldstrasse standen noch zwei schöne braune Berner Häuser. Ein schmaler Fussweg führte dann rechts hinunter zur Binzmühlestrasse, ganz nahe am 1628 erbauten Tannerhof vorbei. Am Ende dieses Weges befand sich eine italienische Wirtschaft, deren Boggiabahn recht fleissig benützt wurde. Auf der anderen Seite der Binzmühlestrasse, sie war damals noch recht schmal, hatte es auch noch ein altes Haus. Darin wohnte Frau Siegrist, die viele Jahrzehnte lang im Reformierten Kirchenchor mitsang. Dort unten soll es früher noch ein Eisfeld gegeben haben.
Direkt über die Binzmühlestrasse kam man zur Hüttisstrasse, da gab es noch 6 grosse Kosthäuser, welche wahrscheinlich zu Anfang des Jahrhunderts erstellt wurden, als sich die Industrie in Örlikon immer mehr bemerkbar machte. Etwa in den 1950er Jahren mussten alle Bewohner die Häuser verlassen. Die Besitzer von drei der Kosthäuser haben dann ausschliesslich Einzimmerwohnungen eingerichtet mit einer Gemeinschaftsküche. Es zogen ausschliesslich Italiener ein. Es gab dann ordentlich böses Blut, dass die bisherigen Mieter aus den billigen Wohnungen ausziehen mussten. Zwei dieser Kosthäuser wurden später weiter verkauft. Als dann die Leute ausgezogen waren, haben sich Alternative darin breit gemacht.
An der Grubenackerstrasse gab es auch einen Schiessstand und zwar in der Ecke Allmann-/Grubenackerstrasse. Bereits am Sonntagmorgen um 5 Uhr 30 (!) begann es zu knallen. Mein Mann und ich waren darob nicht gerade begeistert, aber unser Vreneli hat sich stets sehr erfreut an diesem sonntäglichen Schiessen, weil sie so viel länger im Bett bleiben durfte. Übrigens: Hinter dem Örlikerhuus steht heute noch der Damm, in welchem damals die Kugeln aufgefangen wurden.
Mein Sohn musste einmal mit dem Velo nach Örlikon zum Einkaufen. Als er dann erst gegen Abends um 6 Uhr zurück kehrte, wollte ich ihn deshalb tadeln. Er kam mir aber zuvor und sagte. "Mama, sei nicht böse, denn ich habe heute gelernt, wie man ein Babeli macht." Damit hat er die Geburtshilfe gemeint, wenn eine Kuh kalbert. Hinter der Grubenackerstrasse gab es grosse Kornfelder und Wiesen. Der grösste Teil davon gehörte zum Tannenhof an der Allmannstrasse. Seit mein Sohn bei Vater Tanner lernte, wie man der Kuh beim Kalbern hilft, durfte er immer wieder mit dabei sein. Einmal durfte er sogar eine ganze Nacht dabei sein, um alles zu erleben, wenn eine Kuh ein Kälbchen bekommt.
Die Schärenmoosstrasse war eine schmale Strasse. Sekundarlehrer Weidmann, der in Seebach Schulunterricht erteilte, hat sein Haus im äussersten Zipfel dieser Strasse erbaut. Da wurde er gerne mal geneckt, indem man ihn frug, ob er in der Wüste draussen wohnen wolle.
Wenn wir an die Schaffhauserstrasse einkaufen wollten, konnte es passieren, dass just in dem Moment als wir den Aufstieg zum Gleis geschafft hatten, die Barriere geschlossen wurde und wir warten mussten, bis der Klotener Zug vorbei fuhr. Und nicht selten kam es vor, dass dann auch die zweite Barriere sich schloss und wir erneut warten mussten, bis der Schaffhauser Zug vorbei war. Das konnte manchmal eine Weile dauern.
Auch an einen tragischen Unfall erinnere ich mich, als eine lebensmüde junge Frau unter den Zug geriet. Der bremste sofort, doch blieb ein Teil des Zuges auf dem Bahnübergang stehen. Irgendwann öffnete man die Barriere und die Passanten konnten den Übergang durch die geöffneten Wagentüren passieren.
Unten an der Verteilerstation hat es eine Barrierenwärterin gegeben, die 5 Barrieren zugleich bedienen musste. Meinem kleinen 4-jährigen Enkelkind hat es grossen Eindruck gemacht, wenn sie immer wieder das grosse Rad drehen musste.
Nach der Schaffhauser Barriere (an der Schärenmoosstrasse) hatte es auf der rechten Seite eine grosse Wiese, auf welcher ein Bauernhaus stand. Man konnte damals auf einem diagonal verlaufenden Weg zum Tram und zum Läbes (LVZ) gehen. Der Läbes war damals noch im Haus der Metzgerei Coendet (heute Fischereiartikel Hebeisen). Im Läbes bekam man auch kleinste Mengen von 100 g und man bekam zusätzlich Märkli. Als dann auf der schönen Wiese die grosse Überbauung erstellt wurde, fand man, das jetzt der Weg zum Tram und zum Läbes viel länger sei.
Das Restaurant Landhus stand damals noch direkt an der Schaffhauserstrasse. Gegenüber dem Restaurant gab es eine Garage, von der ich den Eindruck hatte, dass sie früher einmal eine grosse Scheune war. Auch die Zürcher Kantonalbank war in einem der Häuser untergebracht. Es war ein Haus, das so um die Jahrhundertwende erstellt wurde.
Zur Post hatte man auch einen weiten Weg. Sie befand sich seinerzeit noch an der Ecke Schaffhauser-/Bühlwiesenstrasse. Die Wirtschaft zum Neubühl gab es auch noch und man erreichte sie nur über eine Treppe. Einen kleinen Saal hat es auch gegeben. Der Kirchenchor hat sich dort nach der Probe regelmässug getroffen. Wir haben uns dort wie zuhause gefühlt. Da wurden dann keine Kirchenlieder gesungen. Damals hatte der Kirchenchor ein Volksliederrepertoir, das sich sehen lassen konnte. Machte der Chor einmal einen Ausflug, hat man auch unterweg gesungen, dann allerdings ohne in Reih und Glied zu stehen.
Unten an der alten Kirche gab es auch noch ein paar alte Häuser. Die mussten allerdings weichen, weil die Stadt die Seebacherstrasse unverhältnismässig breit ausbaute. Auch die alte Wirtschaft zur Krone musste einem Neubau weichen. Die Sennhütte durfte allerdings stehen bleiben. So verlor Seebach seine Kernzone. Erst als uns der neue Zonenplan erklärt wurde, erfuhr ich von der Stadträtin Koch, dass Seebach schon 1934 eingemeindet wurde.
Die Markuskirche wurde 1948 eingeweiht. Eine der neuen Glocken musste von Anfang an einen Sprung gehabt haben, daher wurde sie später gegen eine neue ausgetauscht. Mein kleines Vreneli war auch mit dabei, als die Glocken hochgezogen wurden.
In der Ecke Ausserdorf-/Hertensteinstrasse gab es ein sehr schönes altes Riegelhaus, in Richtung Birchstrasse viele Einfamilienhäuser mit schönen Gärten. Die grossen Überbauungen Schönauring, Schwandenholz und Staudenbühl wurden erst in den 1950er Jahren erstellt. Als wir 1948 nach Seebach zogen, stand am Anfang der Köschrütistrasse ein grünes Haus. Dieses soll anstelle eines Bauernhauses erstellt worden sein. In diesem Bauernhaus hat eine Familie Tanner gewohnt. Die Mutter meines Schwiegervaters kam dort zur Welt. An einer Abendunterhaltung des Kirchenchors hat mein Schwiegervater ganz unverhofft eine Kusine kennen gelernt.
Kurz vor dem Bahnhof Seebach, an der Felsenrainstrasse, gab es in einer schönen Wiese auch einen grossen Bauernhof. Das Land soll den Bührles gehört haben. Diese befanden dann, dass eine Grossüberbauung rentabler sei.
Es würde mich freuen, wenn ich Ihnen alt Seebach ein wenig näher bringen konnte.