Alfred Hiestand gilt europaweit als der Gipfelikönig der Neuzeit. Er eröffnete 1967 in Seebach ein kleines Verkaufslokal. Es befand sich im Haslerblock an der Schaffhauserstrasse 456. Ob Alfred Hiestand sein Lokal von Frau Speck, vormals Café Speck, übernahm oder ob es das Nachbarlokal mit gleicher Hausnummer war, ist noch nicht geklärt. Auf jeden Fall hatte Frau Speck ihr Café bereits geschlossen, als Alfred Hiestand auftauchte.
In Seebach hatte Alfred Hiestand allerdings nur das Verkaufslokal. Die Backstube war nämlich in Wipkingen angesiedelt. Er setzte anfänglich in Seebach täglich um Fr. 120.-- (!) um, was natürlich nicht ausreichte, um längerfristig zu überleben. Daher suchte Alfred Hiestand Grosskunden, die er bald darauf auch fand und damals noch mit Frischprodukten belieferte. Es waren Hotels, Restaurants usw. 1975 setzte Alfred Hiestand auf den Tiefkühlvertrieb seiner Gipfeli und löste damit ein fast nicht enden wollendes Wachstum aus. Ob dies alles von seiner Backstube in Wipkingen aus bewältigt werden konnte, geht aus den historischen Unterlagen nicht eindeutig hervor und auch im Tages-Anzeiger-Bericht vom April 2004 war nichts darüber zu erfahren. Ebenfalls noch nicht geklärt ist, wann Alfred Hiestand sein Verkaufslokal in Seebach wieder schloss und offen ist auch noch, ob er nach der Umstellung auf Tiefkühlgipfeli weiterhin auch Frischprodukte vertrieb.
Sie lesen richtig! Der berühmte Gipfelikönig hat mit einem Verkaufsgeschäft in Seebach begonnen. Allerdings ist das kein Grund für die Seebacher, die Nase in den Himmel zu recken, denn die Ortswahl dürfte wohl sehr zufällig gewesen sein. Und die guten Ideen und die harte Arbeit hatte letztlich Alfred Hiestand geleistet und die hat ihm keiner abgenommen. Im Gegenteil! Wenn er nur Fr. 120.-- Umsatz pro Tag erzielte, dann scheinen die Seebacher seine feinen Gipfeli gar nicht so richtig zur Kenntnis genommen zu haben. Also nicht unbedingt ein Ruhmesblatt für die Seebacher Feinschmecker. Doch zu ihrem Trost sei vermerkt, dass man nachher immer gescheiter ist. Hätten die Seebacher gewusst, welche Karriere Alfred Hiestand 1968 noch vor sich hatte, dann wäre es vielleicht etwas anders gekommen.
Heute ist in Zürich die Bäckerei Ritschard in Altstetten wohl die bekannteste Bäckerei in Sachen Gipfeli. Das ist allerdings auch eine Geschmacksfrage, denn es gilt ja: De gustibus non est disputandum!
Früheste urkundliche Erwähnungen
Hier ist nur vom sogenannten Frühstücksgipfeli die Rede, nicht von Nussgipfeln, Mandelgipfeln, Schinkengipfeli, Laugengipfeli, Mailänder Gipfeli, Schoggigipfeli und dergleichen.
- Die älteste urkundliche Erwähnung eines Gebäcks in der Art eines Gipfelis stammt um das Jahr 1000 und wird im Schweizer Idiotikon unter Gipfel und in Wikipedia unter Hörnchen erwähnt. Das Idiotikon bezieht sich auf einen Eckehard, der von einem mondförmiges Brot sprach, welches im Kloster St. Gallen zur Fastenzeit gebacken und an die Mönche abgegeben wurde. Vermutlich war damit aber nicht ein Gipfeli gemeint, wie wir es heute kennen, sondern eben ein mondförmiges Brötchen oder Brot. Wikipedia schreibt etwas allgemeiner, dass ein Gebäck in Form eines Hörchens zur Osterzeit in den Klöstern gebacken worden sei. Klös - Die zweitälteste urkundliche Erwähnung eines Gebäcks im Sinne eines Gipfelis stammt aus Wien, als Bäcker im Jahre 1227 an Weihnachten dem Babenberger Herzog Leopold dem Glorreichen als Gebäck sogenannte 'Chipfen' übergaben.
- Die drittälteste Erwähnung eines halbmondförmigen Gebäcks wird im Invantaire du patrimoine culinaire de la France erwähnt, wo steht, dass am 18.6.1549 der Bischof von Paris zu Ehren der Königin ein Bankett gegeben habe. Auf der Einkaufsliste wurden in älterem Französisch auch 40 halbmondförmige Kuchen erwähnt. Hier ist der Vergleich mit Gipfeli im heutigen Sinne etwa gleich unsicher wie bei der ersten Erwähnung weiter oben. Französische Gastronomen gehen sogar davon aus, dass das Croissant in Frankreich erst im 19. Jahrhundert populär wurde.
- Die viertälteste Erwähnung eines solchen Gebäcks ist indirekt, indem Wikipedia unter Hörnchen scheibt, dass das Kipferl in Wien lange vor 1683 bekannt war. Damit waren wohl di Chipfen von 1227 gemeint.
- Die fünftälteste, allerdings nicht urkundlich überlieferte Erwähnung stammt aus dem Jahre 1683. Es soll das Resultat eines Versuchs der Türken gewesen sein, welche in dieser Zeit die Stadt belagerten und mit aller List versuchten, in die Stadt zu gelangen. Dazu sollen sie versucht haben, einen Tunnel unter der Stadtmauer zu graben, um auf diese Weise in die Stadt zu gelangen. Ein Bäcker soll das Geräusch dieses Versuches gehört und sofort Alarm geschlagen haben, sodass das Unterfangen scheiterte. Aus Freude darüber sollen die Wiener Bäcker ein Frühstücksgebäck kreiert haben, welches die Form eines Gipfelis hatte. Die Ehre, es erfunden zu haben, wird dem Bäckermeister Peter Wendler zugeschrieben, der die Form des Gebäcks 1683 in Anspielung auf den türkischen Halbmond so gestaltet haben soll. Dumm ist nur, dass Peter Wendler schon am 6. Dezember 1680 verstorben ist. Da sie ihm aber nur zugeschrieben wurde, hat sich der Überlieferer also zumindest beim Bäcker geirrt. Das lässt die Frage offen, ob ihm bei dieser Geschichte noch weitere Irrtümer unterlaufen sind.
Doch ausgerechnet diese Geschichte wird bis heute immer wieder als Entstehungsgeschichte des Gipfelis 'kolportiert' und wird in Österreich sogar als gut verbürgt betrachtet. Für diese Geschichte spricht, dass sie tatsächlich die fünftälteste überlieferte Gipfeli-Geschichte ist, aber eben doch eher eine Sage. Dieses österreichische Gipfeli hiess natürlich Kipferl. Verbreitet wurde diese Legende durch Alfred Gottschalk im Larousse gastronomique 1938 und in einem weiteren eigenen Buch im Jahr 1948, wobei er einmal Wien und einmal Budapest als angeblichen Ursprungsort angab. Alfred Gottschalk hat sie aber nicht erfunden, sondern nur weitergegeben, wahrscheinlich sogar im guten Glauben.
- Der sechstälteste Hinweis auf ein halbmondförmiges Gebäck stammt aus der Zeit des französischen Königs Ludwig des 16. Es ist ein Negativhinweis von Wikipedia, der besagt, dass während seiner Regentschaft von 1754 bis 1793 noch kein halbmondförmiges Gebäck in der französischen Kochliteratur erwähnt werde.
- Die siebtälteste Geschichte ist die Legende, wonach Marie Antoinette, die Frau von Ludwig dem 16., Tochter von Erzherzogin Maria Theresia von Österreich, die österreichischen Kipferl in Frankreich populär gemacht habe, wobei diese auf Croisssant umbenannt worden sein sollen. Die Herkunft des französischen Croissants wird in Österreich heute noch mit dem Kipferl in Verbindung gebracht, welche die lokale Geschichtsschreibung weiterhin als Wiener Erfindung darstellt, die dann nach Frankreich gelangte. Offen lässt die Sage, wie das Croissant denn zuvor geheissen hat.
Die Sage von Marie-Antoinette als Überbringerin des Croissants aus Österreich muss aber nicht zwingend falschn sein. Nicht zutreffend scheint nur die Aussage zu sein, dass sie das Croissant populär gemacht habe. Vermutlich sollte es heissen: Sie hat das Rezept von Wien mitgbracht und es am Hofe populär gemacht aber nicht im ganzen Land, indem sie es durch ihren Bäcker nachbacken liess. Das belegt die Negativmeldung durch Wikipedia, wonach zu Zeiten Ludwigs des 16. das Croissant in Frankreich nicht bekannt gewesen sei. Kulturhistoriker weisen deshalb zurecht darauf hin, dass verschiedene Legenden zur Herkunft des Croissants frei erfunden sind und diese sich nicht vor dem Jahre 1801 in Frankreich durchgesetzt haben sollen. Erstmals in einem Nachschlagwerk erwähnt wurde das Croissant unter dieser Bezeichnung nämlich erst im Jahr 1853 als nicht näher beschriebenes Gebäck. 1863 wird in einem Lexikon auch die Mondform erwähnt. Das erste Rezept hierfür erschien sogar erst 1906 in der 'Nouvelle Encyclopédie culinaire'. Das Croissant als Gebäck ist im 'Larousse universel' von 1922 auf Seite 571 dann erwähnt.
Danach werden die urkundlichen Erwähnungen aller vier Hauptvarianten des Gipfelis immer zahlreicher.
Fazit: Am Anfang war das Hörnchen aus Süddeutschland, dann kam das Kipferl aus Wien, dann der Kipfel in Deutschland und das Gipfeli in der Schweiz etwa zeitgleich mit dem Croissant.
Der Unterschied zwischen Gipfeli, Kipferl, Hörnchen und Croissant
Das Gipfeli:
Das Schweizer Gipfeli ist ein Plunderteigprodukt mit Butter und hat eine sehr regelmässige Halbmondform. Von halbmondförmig bis hufeisenförmig ist das Kennzeichen des Gipfelis. Es ist in der ganzen Schweiz erhältlich und heisst in der deutschen und rätoromanischen Schweiz ganz generell Gipfeli. Vielleicht gibt es eine rätoromanische Bezeichnung, doch ging sie im Langenscheidt-Wörterbuch vergessen. Es ist ein sehr beliebtes Frühstücksgebäck, welches innen zart und aussen knusprig ist und es hat einen typisch nussigen Buttergeschmack. Es ist geschmacklich dem Croissant sehr ähnlich und auch die verwendeten Teige scheinen sehr ähnlich zu sein. Im Welschland allerdings muss es seinen Platz mit dem aus Frankreich eingewanderten Croissant teilen. Dort findet man meist beide Formen. Über die Herkunft des Schweizer Gipfelis findet man nur wenig konkrete Angaben. Vermutlich stammt es sowohl vom süddeutschen Hörnchen ebenso wie vom österreichischen Kipferl ab.
Das Croissant:
In Frankreich heisst das Gipfeli 'Croissant' und wird in zahlreichen Varianten angeboten, doch soll hier nicht von den Sonderformen, sondern nur von der Urform die Rede sein, damit der Beitrag nicht zu lange gerät. In Frankreich wird das gewöhnliche Croissant mit Margarine, das Croissant au beurre mit Butter zubereitet und besteht ebenfalls aus Plunderteig. Das Croissant wirkt etwas breiter im Aussehen, ist innen etwas luftiger und enthält ebenfalls reichlich Butter und es sieht auch etwas geplusterter aus als das Gipfeli. Es hat zwar ein halbmondförmiges Aussehen, ist aber nicht so gebogen wie das Gipfeli.
Das Kipferl:
Beim österreichischen Kipferl handelt es sich ebenfalls um eine Plunderteig-Variante mit sehr ähnlichen Zutaten wie beim Gipfeli und beim Hörnchen. Das Kipferl stammt ziemlich sicher von einem traditionellen Klostergebäck ab. Im Prinzip gilt auch hier: Der Unterschied zu den Gipfeli, den Hörnchen und den Croissants ergibt sich weniger durch die verwendeten Zutaten, sondern durch die Art der Zubereitung.
Das Hörnchen:
Das Hörnchen ist in Süddeutschland schon sehr lange bekannt. Es wurde wahrscheinlich zu Ostern gebacken, ursprünglich noch in den Klosterbäckereien. Die Form ahmt Ziegenhörner nach, daher auch der Name «Hörnchen» für dieses Gebäck. Die Hörnchen waren ursprünglich ein Gebäck aus Hefeteig und wurden noch 1894 in einem gastronomischen Lexikon so bezeichnet. Fachleuten sagen, dass Croissant nicht mit Hörnchen verglichen werden können, schon eher mit dem Kipferl oder dem Gipfeli. Das Hörnchen dürfte recht alt sein und eine Abkunft von einem Klostergebäck ist ebenfalls nicht auszuschliessen.
Deutung des Wortes Gipfeli
Die Bedeutung des Wortes Gipfeli kennt das Herkunftswörterbuch des Dudens von 1963 überhaupt nicht, da er sich damals vermutlich nur für die hochdeutsche Sprache als zuständig betrachtete und weniger für oberdeutsche Mundarten. Im Kluge von 2002 findet man unter Gipfeli natürlich ebenfalls nichts, aber unter Gipfel, immerhin den Hinweis, dass dies die Bedeutung von 'Spitze' habe. Die Suche nach 'Gipfeli' im Schweizerischen Idiotikon wurde bei der Internet-Suche negativ beantwortet, was nicht weiter verwunderlich ist, da die Suche im Idiotikon ganz generell recht schwierig ist, weil dort viele Wörter nur unter dem Grundwort zu finden sind und nicht alphabetisch. Unter Gipfel wurde die OGS dann doch noch fündig.
Deutung des Wortes Kipferl und Kipfel
Kluge erwähnt unter Kipfel, dass dies eine österreichische Bezeichnung für das Hörnchen sei. Unter Hörnchen findet man dann den Hinweis, dass dies eine Gebäckart sei. Unter Kipf findet man die Deutung 'süddeutsche Brotform', entstanden aus mittelhochdeutsch kipfe, althochdeutsch kipf, kipp als Wagenrunge, ferner Kipfel und Gipfel im Sinne von Hörnchen. Runge wird gedeutet als Stützstrebe am Wagen. Der Zusammenhang zwischen einer Wagenrunge und einem Kipfel wird aber nicht erklärt.
Deutung des Wortes Croissant
Croissant ist die kurze französische Bezeichnung von 'croissant de lune' und bedeutet wörtlich zunehmende Mondsichel im Gegensatz zu 'décroissant de lune' für die abnehmende Mondsichel. Das französische Gebäck 'Croissant' ist urkundlich älter als gedacht, doch war es damals nicht verbreitet und nur wenigen Leuten am Hof bekannt. Die OGS hegt ein wenig den Verdacht, dass die französische Bezeichnung des Gebäcks als Halbmond einen gewissen Hinweis gibt auf die Sage mit den Türken, die versuchten, durch einen Tunnel in die Stadt Wien einzudringen und dass die Wiener Bäcker daraufhin ihr Gebäck nach dem türkischen Halbmond geformt haben. Es könnte somit sein, dass Marie-Antoinette doch ein bisschen die Finger im Spiel gehabt haben könnte und zwar, indem sie das in Frankreich zwar ebenfalls bekannte, aber nicht weiter beachteten Gebäck wenigstens während ihrer Regentschaft backen liess. Der wirkliche Durchbruch liess dann aber noch gute 200 Jahre auf sich warten.
Deutung des Wortes Hörnchen
Die Bezeichnung stammt von den Geissenhörnern.
Das Gipfeli in Europa
Das Gipfeli ist heute in fast ganz Europa als Frühstücksgebäck verbreitet und hat in den einzelnen Ländern und in jeder Sprache und manchmal sogar regional verschiedene Bezeichnungen. Die Gebäcke sehen auch stets ein wenig unterschiedlich aus, wenngleich man alle sofort als Gipfeli identifizieren kann. Folgende Bezeichnungen konnte die OGS bis heute entdecken:
Diese Liste wird periodisch erweitert, letztmals am: 27.10.2017
Zusammensetzung eines Gipfeliteigs
Das Gipfel besteht aus Butter, Milch, Wasser, Trockenhefe, Zucker, Weissmehl, Salz und Ei. Diese Bestandteile gelten auch für das Kipferl, den Kipfel, das Hörnchen und das Croissant. Im Prinzip. Den Unterschied macht eher die Zusammensetzung der Bestandteile und die Zubereitung, der verwendete Ofen und ob man mit den Gipfeli spricht oder nicht. Das ist nicht ganz wörtlich zu nehmen. Man versteht darunter, wie man den Teig mischt, wie man ihn knetet, wie dick der Teig ist, wie lange man in ruhen lässt, wie er tourniert wird usw.
Herstellung
Aus den obigen Zutaten wird nach speziellen Regeln ein Teig zubereitet. Danach wird der Teig zu einem Quadrat ausgerollt, mit einem separat ausgerollten, kalten Stück Butter belegt, das nach Art eines Briefumschlags mit den Ecken des Teigs bedeckt wird. Nun wird der Teig zu einem Rechteck von dreifacher Länge ausgerollt und von beiden Enden her wieder zu einem Quadrat gefaltet. Diese sogenannten Touren werden dreimal wiederholt, bis schliesslich aus ausgeschnittenen Teigdreiecken Hörnchen geformt und gebacken werden können. Diese Art der Teigzubereitung heisst Plunderteig und ist nichts anderes als ein Hefeteig, der wie Blätterteig mehrfach ausgerollt und mit eingearbeiteten Schichten von Butter zusammengefaltet wird.
Quellen: - Wikipedia unter Croissant, Kipfel, Hörnchen - Das Kulinarische Erbe der Schweiz, Band 3, Seiten 108-111 - Invantaire du patrimoine culinaire de la France - Coop-Zeitung 9.4.2013 - Tages-Anzeiger - div. Wörterbücher von Langenscheidt - Schweizerisches Idiotikon - Larousse universel, Band 1, 1922 - Nouvelle Encyclopédie culinaire, 1906 - Larousse gastronomique 1938 - OGS-eigene