Das Märchen ist spontan auf meinen Lippen entstanden. Ich dichtete es während dem ich meinen kleinen Kindern 1988 im Wohnwagen eine Gute-Nacht-Geschichte erzählte. Gleichzeitig windete es draussen so stark, dass dieser Wind mich beim Dichten fortlaufend inspirierte. Es entstand also Satz um Satz und weil es den Kindern so gefiel, musste ich das Märchen immer und immer wieder erzählen.
Der Wind
Es war einmal ein schöner Sommertag. Ein paar Kinder durften heute allein spielen gehen. Und weil sie schon alle Spielplätze in der Nähe kannten, begaben sie sich ins Nachbardorf und fanden dort einen schönen Spielplatz. Sie hatten grossen Spass und benützten die Rutschbahn, dann wieder den Röhrentunnel oder das Klettergerüst.
Dann spürten sie plötzlich einen leisen Windzug, schauten nach oben und sahen mindestens drei Winde, welche wie Wolken aussahen, aber wenn man genau hinschaute, dann sah man in den Wolken ein Gesicht und man sah, wie der Mund kräftig blies. Die Kinder hatten das so noch nie gesehen, aber das Gesicht ist ihnen schon früher einmal aufgefallen. Nun kam einer der Winde naher zum Spielplatz und blies vor sich hin, so dass fast alle Kinder sofort nach Hause rannten und Schutz suchten. Nur die Kinder vom Nachbardorf blieben an Ort, denn sie wohnten ja nicht hier. Sie setzten sich in den Röhrentunnel, wo sie sich sicher fühlten, doch der Wind kam immer näher und blies immer stärker. Etwas ängstlich warteten sie, was da auf sie zu kam.
Und er kam, der Wind, aber er blies nur noch ganz schwach. Dann blieb er über dem Spielplatz stehen und eine kleine Wolke löste sich vom Wind. Sie kam rasch näher und sah ganz ähnlich aus, wie ein kleines Gummiboot, nur eben ganz in weiss wie Watte. Die kleine Wolke schwebte nun genau vor den Röhrentunnel und landete sanft auf dem Sand. Sie trug die Nummer 31. Dann hörten die beiden die Stimme des Windes, welche sie aufforderte, einzusteigen. Die Stimme klang so freundlich, dass die Kinder sofort Vertrauen hatten und einstiegen. Sie setzten sich beide auf einen kleinen Wolkensessel und machten es sich bequem, während die kleine Wolke Nr. 31 in die Höhe stieg und zum grossen Wind schwebte, welcher hoch über dem Spielplatz wartete. Dann flog Wolke Nr. 31 durch eine kleine Öffnung an der unteren Wange des Windes und es wurde etwas düster.
Nun hielt Wolke Nr. 31 an und der Wind forderte die Kinder auf, aus zu steigen. Dann bat die Kinder mit zu kommen. Sie folgten den Anordnungen des Windes, der nun erklärte, dass man sich nun in seinem Inneren befinde und dass er Nubius heisse. Schon erreichten sie einen grossen, hellen Raum, welcher sich offenbar ganz oben im Wind befand. Das Innere des Windes fühlte sich wie Watte an und war weiss.
Nun fragte eines der Kinder, was denn eigentlich ein Wind sei. Der Wind erklärte nun, dass ein Wind ein Lebewesen sei, so wie die Menschen, nur eben in der Form eines Windes. Im Innern des Windes gab es sogar ein kleines Stübli für gelegentliche Gäste. Die Kinder setzten sich auf die weichen Wattesessel und wie von Zauberhand, servierte der Wind den Kindern Süssmost und Weggli. Da die Kinder seit Stunden nichts mehr gegessen und getrunken hatten, war das eine sehr angenehme Überraschung. Nun hörte man draussen, wie der Wind heulte und gleichzeitig sprach er im Innern mit den Kindern. Als alle Weggli gegessen und aller Süssmost getrunken war, wies der Wind die Kinder wieder zur Wolke Nr. 31 und diese brachte die Kinder zurück zum Spielplatz.
Das Gute aber war, dass der Wind diesen Kindern immer mal wieder begegnete und wenn er sie sah, kam auch bald die Wolke Nr. 31 und führte sie zum Wind, wo es erneut Weggli und Süssmost gab.
Der Wind, wie er heran zieht und den Bäumen in die Äste bläst. Der kleine schwarze Punkt links unten an der Wange des Windes ist der Eingang für die Wolke 31.