Das Schulturnen blieb auch mir unvergesslich in Erinnerung. 1954 bekam ich aus Verwandtenkreisen eine schon ziemlich abgewetzte Turnhose geschenkt, die gerade noch ein Jahr durchhielt, dann wurde der Stoff so blöd, dass die Hose bei einer Wäsche grossflächig auseinander fiel. Da die Mutter nicht über unbegrenzte Geldmittel verfügte, lag ein Neukauf nicht drin. Als Weissnäherin war es naheliegend, dass sie in ihrem Stoffvorrat nach einem derben Stück Stoff suchte, aber keines fand. So machte sie sich auf den Weg zu Sophie Geering an der Felsenrainstrasse und kaufte dort ab einer Stoffballe einen Meter sehr derben, hellgrauen Stoff. Diesen wählte sie allein wegen seines günstigen Preises aus, denn ich hätte lieber eine azurblaue Turnhose gehabt, wie die meisten anderen Buben auch. Da es ein Reststück war, bekam sie es noch günstiger und damit war die Mutter zufrieden.
Dann hiess es Massnehmen und im Handumdrehen nähte sie ein Paar Turnhosen. Da der Stoff nur knapp reichte, gerieten sie um das Gesäss herum etwas eng und die zu langen Hosenbeine spannten auch etwas und kamen mir ein bisschen altmodisch vor. Nichtsdestotrotz trug ich diese Turnhose voller Stolz im Turnen. Das ging einige Wochen ganz gut, bis Lehrer Emil Krönert wieder einmal eine Übung am Reck ausheckte, bei der die Schüler ihre Gesässmuskeln samt Turnhosen einer aussergewöhnlichen Spannung aussetzen mussten. Ich wippte vorschriftsmässig am Reck, wollte es besonders gut machen und überspannte die an sich schon enge Turnhose so stark, dass der Stoff riss. Da ich damals immer wieder durch eine Sondereinlage im Spassbereich bekannt war, erwartete eigentlich auch niemand von mir, dass ich die Übung normal beendete. In der Kolbenacker-Turnhalle gab es eine hervorragende Akustik, die manchen Virtuosen einer Tonhalle neidisch werden liesse, sodass das Schränzen des derben Turnhosenstoffes fast so klang, als ob jemand mutwillig einen dicken Industrieteppich von Hand zerreissen würde.
Die ganze Klasse lachte Schöllen, wippte mit dem Oberkörper auf und ab und schlug sich mit wieherndem Lachen mit den Händen auf die Oberschenkel. Sogar der Lehrer stimmte in das Gelächter ein, während ich mit hochrotem Gesicht, die zerfetzte Turnhose notdürftig zusammenhaltend, die Turnhalle eiligst in Richtung Umkleideraum verliess. In Knickerbockern kam er nach ein paar Minuten zurück und durfte den Rest der Stunde zuschauen. In der Pause wurde ich wegen der Einlage auf die Schultern geklopft und gelobt, ganz so als ob es eine absichtliche, schauspielerische Leistung gewesen wäre.
Weniger Freude hatte dann die Mutter zu Hause. Ihre kurze, fachmännische Prüfung der zerfledderten Hose ergab, dass sie nicht mehr zu retten war. Da das Geld für neue Turnhosen weiterhin fehlte, setzte es zwei Wochen Turndispens ab. Solange brauchte die Mutter, bis sie ihr Leid allen ihren Freundinnen erzählt hatte. Frau Hedy Hebeisen vom bekannten Seebacher Fischereiartikelgeschäft, die mich als Kamerad ihres Sohnes Hans-Ruedi bestens kannte, hatte dann ein Einsehen und spendierte mir eine alte Turnhose ihres Sohnes, mit welcher ich dann untadelig aussah und wieder mit Inbrunst turnen konnte, ohne Angst haben zu müssen, dass es die Turnhose erneut sprengte. Die Hebeisen'sche Qualitäts-Turnhose war über jeden Zweifel erhaben und hielt noch bis in die erste Sekundarklasse, dann wurde sie wegen meines Wachstums zu klein.
Das Ereignis mit der schränzenden Turnhose wird noch heute gelegentlich bei Treffs mit alten Schulkollegen mit schallendem Gelächter erzählt. Wirklich nachempfinden kann das aber nur jemand, der das Originalgeräusch mit erlebte.