Die Migros-Verkaufswagen, im Volksmund meist nur Migroswagen genannt, bedienten Seebach schon ab 1927, wurden aber in Zürich seit dem 25. August 1925 eingesetzt und zwar bevor die ersten Filialen eröffnet wurden. Eine der ganz frühen Haltestellen war die Buhn, wo der Standplatz an der damaligen Sonnenbergstrasse lag und zwar ungefähr bei den Flarzhäusern. Dieser Halteplatz wurde von der Migros noch bis etwa 1964 regelmässig bedient. Eine andere Haltestelle befand sich vor dem Restaurant Frohsinn, etwa zur gleichen Zeit. Weitere Haltestellen des Migros-Verkaufswagens in den 1950er Jahren befanden sich beim Schiessstand an der Grubenackerstrasse, in der Nähe des Schönaurings beim Köschenrütibrüggli über den Katzenbach sowie Ende der 1980er Jahre in der Kurve am Kolbenacker, jeweils am Mittwoch von 10 bis 12 Uhr.
In den frühen 1960er Jahren war auch der Zeitpunkt gekommen, dass der Migros-Verkaufswagen ein- oder zweimal in der Woche in den Buchholzrain kam. Dies erfolgte noch mit dem legendären Modell, bei dem man noch bedient wurde. Der Verkäufer war Chauffeur/Verkäufer/Kassier in einem. Er fiel den Kunden auf wegen seiner unglaublichen Leistung im Kopfrechen! Er blieb deshalb bis heute in lebhafter Erinnerung und war einfach sensationell! Es dürfte noch weitere Standorte in Seebach gegeben haben, die noch nicht ermittelt sind.
Migros rekurrierte 1927 gegen die Standgebühr, welche der Zürcher Gemeinderat meinte für jeden Halt erheben zu dürfen. Offenbar wurde man sich einig, denn ich habe diese Wagen noch selber häufig angetroffen.
Damals schwatzten die Hausfrauen noch übereinander, wenn man bei der Migros einkaufte, weil die kleinen Comestibles-Händler um ihre Einkünfte bangten. Eine solche Schwatzszene konnte man im Musical «Seebach isch nüd de Nabel vo de Wält» von Robert Kübler mitverfolgen, als der Lädeli-Baachme und Frau Gimpert sich darüber beklagten, dass da wieder eine gedankenlose Hausfrau bei der Migros postete oder so ähnlich.
Migros hat die Verkaufswagen in Zürich ungefähr in den frühen 1990er Jahren aufgegeben. Migros betrieb während der Blütezeit dieser Verkaufswagen in den 1960er Jahren 144 solcher Wagen. 2005 gab es im Kanton Zürich keine mehr, weil sie zum Schluss nicht mehr Kosten deckend betrieben werden konnten. Ich erinnere mich aber noch gut an diese Wagen und habe dort oftmals selber gepostet.
Ob es wirklich so gescheit war, diese Wagen aufzugeben, wagt die OGS an zu zweifeln und zwar, weil die Migros ihre Rechnung nur rein buchhalterisch auf den Wagenbetrieb abstellte. Welche Emotionen aber die Verkaufswagen bei den Menschen auslösten und lebenslängliche Kundenbindungen kitteten, das dürften sie leider unterlassen haben, mit in die Rechnung einzubeziehen. Migroswagen brachten die Ware fast vors Haus und das zum gleichen Preis wie im Laden.
Mit 5 Ford-Verkaufswagen hat die Migros als Lebensmittelgeschäft begonnen. Das war damals ein genialer Schachzug von Gottlieb Duttweiler. Die Idee mit den Verkaufswagen stammte übrigens von Henry Ford, welcher solche Verkaufswagen für die Arbeiter in seinen Automobilwerken einsetzte. Gottfried Duttweiler hat diese Idee dann den unsrigen Verhältnissen angepasst. Die Verkaufsläden kamen erst später.
Vielleicht hätte man ein paar Wagen zu Werbezwecken oder für die Belieferung abgelegener Weiler weiter betreiben sollen. Heute, wo die Grossverteiler immer mehr kleine Filialen aufgeben und die Kunden immer längere Wege machen müssen, um eine Filiale zu finden, wären die Migroswagen eigentlich wieder sehr willkommen, gerade für ältere Leute, die kein Auto fahren. Leider wurde 2007 der letzte Migros-Verkaufswagen im Wallis aus dem Dienst genommen. Da die Migros-Verkaufswagen nun ausser Dienst gestellt sind, erübrigen sich vertiefte Betrachtungen. Die ältere Generation wird sich sicher wahnsinnig freuen, nun vermehrt auf den Migros' Internet-Service «Le Shop» zurück greifen zu können!
Dieser kurze Abriss über die Migros-Verkaufswagen wurde möglich dank zahlreicher Zeitungsausschnitte, viele davon aus dem Migros-Magazin, dem Buch «Das Abenteuer Migros» und aus einer Biografie über Gottlieb Duttweiler.
Dass Migros die Verkaufswagen nicht ganz ohne Grund aus dem Verkehr nahm, kann man an einem gleichen Beispiel aus Finnland erkennen. Auch dort hat man die Migros-Verkaufswagen 'nachgeahmt', vor allem, weil es in diesem weitläufigen Land für ältere Personen ohne Auto fast unmöglich wurde, mit vernünftigem Aufwand einzukaufen. Das Rezept hat auch in Finnland bis um 2000 herum noch einigermassen funktioniert. Heute gibt es nur noch ganz wenige solcher Wagen, meist von Privatpersonen betrieben. Damit sich die Sache rechnet, sind diese aber gezwungen, mit Uraltfahrzeugen zu fahren, welche sie noch selber notdürftig instand halten. Auch dort ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis der letzte Verkaufswagen verschwunden ist.
Quellen: - Marguerite Spycher (Chauffeur, der so gut Kopfrechnen konnte) - Robert Kübler (Bühnenspiel) - Ernst Benninger (Standplatz Buhn 1927) - OGS-eigene (Standplatz Schönauring, 1950-55) - Arthur K. Maier - Sonja Meier (Standplatz Ausserdorf) - Veit Stauffer (Standplatz Buhn 1964) - Beat Czybik (Standplatz Kolbenacker) - Marino Schönenberger (Standplatz Schönauring 1990) - «Tages-Anzeiger», 20.9.2007 - «Das Abenteuer Migros», Alfred A. Häsler, 1985, MGB, Verlag Migros-Presse - «Gottlieb Duttweiler», Biografie von Curt Riess, 1958, Die Arche Zürich
Ein Migros-Verkaufswagen, wie er zuletzt noch benützt wurde. Der hier abgebildete verkehrte im Kanton Zürich, wie man dem Nummernschild entnehmen kann.