Das Goggomobil war unter den Kleinstwagen der 1950er Jahre ein vergleichsweise gut gelungenes Auto. Es besass alles, was zu einem richtigen Auto gehört und nichts, worauf man verzichten konnte. Neben dem Goliath war es einer der ganz wenigen Kleinstwagen, welcher an allen vier Ecken ein Rad besass. Damit hob er sich von den meisten Kleinstwagen ab, war aber dennoch kaum grösser. Auch er besass nur einen 2-Zylinder-Zweitaktmotor, hatte anfänglich 250 cm³ Hubraum und berechtigte auch den Inhaber eines Führerscheins für Motorräder bis 250 cm³, den Wagen zu fahren. Er wurde in Dingolfing (D) hergestellt und nicht etwa in Seebach, doch sah man das Goggomobil in unserem Dorf so oft, dass man hätte meinen können, er wäre von hier. Da er in den 1950er Jahren zusammen mit manch anderem Konkurrenten das Seebacher Strassenbild prägte, wird auch er in der OGS erwähnt, denn diese Zeit kommt nie wieder. In Seebach gab es an der Birchstrasse bei den Wohnblöcken der Linth-Escher-Siedlung etwa um 1956 den ersten von mir beobachteten Fahrer. Dann bald darauf an der Glatttalstrasse ein weiterer.
Hersteller war die Firma Hans Glas GmbH, Isaria-Maschinenfabrik, Dingolfing, Bayern, D, und der anfängliche Erfolg gab dem Unternehmer Hans Glas Recht, was wohl auch am günstigen Preis lag, welcher in der Schweiz nur wenig über Fr. 4'000.-- lag. Als die ersten Wagen in Seebach auftauchten, waren sie sofort die Lieblingsautos der kleineren Buben und Mädchen. Das lag möglicherweise daran, weil ein Kind von 8 Jahren neben dem Auto fast so aussah, als wäre es der Fahrer. Ausserdem galt: Klein und Klein gesellt sich gern und zudem hatte das Auto einen Namen, welcher den Kindern gefiel und hervorragend zu dem kleinen Wagen passte.
Es erübrigt sich, über die Zulademöglichkeiten dieses Kleinwagens lange zu schreiben. Man brachte zwar problemlos vier untersetzte Personen in den Wagen, doch dann war Schluss. Ein Kofferräumchen war ebenfalls vorhanden, doch so richtig schön grosse Koffer fanden darin keinen Platz. Immerhin reichte es aber für einen Harass Bier. Dafür gab es als Extrazubehör einen Dachträger, wo man mit Seilen mehrere Koffer festmachen konnte, wenn das wirklich sein musste.
Das Auto besass noch andere besondere Ausstattungsmerkmale wie etwa Schiebefenster (!), sich nach vorne (!) öffnende Türen, einen einzigen (!) Scheibenwischer, aber doch bereits 2 Scheinwerfer, die ihren Namen auch verdienten, denn sie warfen nachts tatsächlich einen kleinen Schein vor das Auto. Ferner gab es von Anfang an ein Vierganggetriebe, welches sich recht gut schalten liess. Das war zu jener Zeit keineswegs üblich. So hatte der Taunus 12M zum Beispiel nur ein Dreiganggetriebe. Bei den meisten anderen Wagen liessen sich die Getriebe erst nach langem Üben geräuscharm schalten. Wer einmal einen Vauwee Käfer Jahrgang 1950 fuhr, weiss, was damit gemeint ist.
Neben der Grundausführung gab es auch ein Coupé TS (Touring - Sport), welches den sportlich ausgerichteten Fahrer ansprechen sollte und mit knalligen Farben daher kam. Es gab einen zweiten Scheibenwischer, die Schiebefenster wurden durch Kurbelfenster ersetzt, bei welchen die Scheiben automatisch rauf und runter gingen, wenn man an der Kurbel drehte (Peach Weber lässt grüssen!). Ausserdem wurde der Hubraum vergrössert: Zuerst auf 300 cm³, dann sogar auf 400 cm³, was dem Wägelchen ganz ordentlich Zugkraft verlieh, aber diejenigen, welche nur ein Töffbillet besassen zwang, die Führerprüfung für Autos nachzuholen. Später kam noch eine halbautomatische Vorwählschaltung dazu, welche über einen winzigen Schalthebel am Armaturenbrett von Hand zu bedienen war.
Während rund 10 Jahren gab es sogar noch den TL (Transport - Lastwagen), ein Kleintransporter, bei welchem die Betonung vor allem auf dem Wort «klein» lag. Dieser war ebenfalls auf dem Goggomobil-Fahrwerk aufgebaut und wurde ursprünglich auf eine Anfrage durch die Deutsche Bundespost entwickelt. Er überzeugte aber die Handwerker so sehr, dass auch sie sich um ein solches Gefährt bemühten, doch warteten sie meist vergeblich auf eine Bestellmöglichkeit, weil die Deutsche Bundespost jeweils die ganze Jahresproduktion für sich reservieren liess. Von den jährlich rund 3600 Exemplaren gingen etwa 2000 an die Deutsche Bundespost, die sie erst nach 1964 auszumustern begann. Erst ab diesem Jahr waren dann auf dem Markt wieder ausreichend Goggomobil TL zu haben.
Während der gesamten Produktionszeit hat der Firmengründer Hans Glas seine Wagen laufend verbessert und gegen den Schluss sogar noch versucht, aus dem 'Hilfsauto' ein richtiges Auto zu machen. So wuchs der Hubraum auf 700 cm³, dann auf 1004 cm³, 1204 cm³, 1304 cm³, 1700 cm³, ja sogar noch auf auf 2600 cm³ und 3000 cm³ mit V8-Motor. Diese Entwicklung ging dann etwas zu rassig und vielleicht auch ein wenig zu weit. Es kam nicht mehr zu nennenswerten Stückzahlen, jedoch wegen den vielen Neuerscheinungen zu hohen Anlaufkosten. Von allen Goggomobil- und Glas-Autos wurden rund 285'000 Exemplare, verteilt über die Jahre 1955 bis 1969, produziert.
1966 wurde das Werk von BMW übernommen und die Produktion der meisten Modelle bis 1969 eingestellt. Der Glas 1600 und der Glas 3000 wurden hingegen als BMW-Modelle weiter produziert. Der nunmehr als BMW-Werk Dingolfing bezeichnete ehemalige Standort blieb bis heute erhalten und auch die ehemaligen Besitzer des Werks, die Herren Glas, blieben bis zu ihrer Pensionierung im Werk Dingolfing beschäftigt. Sie sind inzwischen alle verstorben. Die Firma Glas ist also nicht untergegangen, sondern lebte unter dem neuen Besitzer BMW weiter. Und wenn man will, kann man die BMW-Modelle mit 1600 cm³ und mit 3000 cm³ auch heute noch als Ururenkel von Glas betrachten. Von Glas stammt immerhin noch der Hubraum.
Eigentlich schade, dass BMW nicht auch den Kleinstwagen in Produktion hielt, denn heute würde die kleine Ausführung des Goggomobils mit BMW-Kühlerhaube blendend gut aussehen und nahtlos als 020er-Serie in die bestehende Angebotspalette von BMW passen. Wer erinnert sich denn nicht an BMW-Sportdirektor Dr. Mario Theissens Begründung für den Rückzug aus der Formel 1, wo er meinte, dass BMW die finanziellen Ressourcen verstärkt in umweltfreundlichere Autos investieren möchte! Sollen sie nur! Eine Basis besitzen sie ja schon, seit 1966!
Das Wägelchen Goggomobil kann man heute noch bestaunen, vor allem an Veteranentreffen in Deutschland, manchmal sogar zwei oder drei aufs Mal. Und auch heute sind sie immer noch die Lieblinge der kleineren Buben und Mädchen.
Nachzutragen wäre noch dies: Die Firma Glas existierte bereits seit 1883 und produzierte über Jahrzehnte erfolgreich Landmaschinen. Die rückläufige Nachfrage nach Landmaschinen in den 1940er Jahren veranlasste die Firma, nach einem weiteren Standbein Ausschau zu halten. Nach dem Erfolg der Vespa in Italien rechnete sich Hans Glas gute Chancen aus, mit einem eigenen Roller am künftigen Rollermarkt in Deutschland erfolgreich teilnehmen zu können. So entstand unter der Leitung des Juniors Andreas Glas ein Motorroller, welcher bereits im Juli 1951 mit einem 125-cm³-Zweitaktmotor der ILO-Motorenwerke in Serie ging und als Goggo-Roller bezeichnet wurde. Goggo war der Kosename für einen Enkel von Hans Glas. Damit wäre nun auch geklärt, wie der Wagen zu seinem Namen kam.
Der Goggo-Roller war eine recht robuste Konstruktion und sah auch so aus. Er wirkte zwar etwas behäbig und hausbacken, doch erwies er sich im Alltag als sehr brauchbar. Die zahlreichen Besitzer mochten das Fahrzeug, sodass die Firma Glas ihm schon ein Jahr später ein weiteres Modell mit 150-cm³-Motor zur Seite stellte. Nochmals ein Jahr später rundete sie die Rollerpalette mit einem Seitenwagenmodell mit einen 200-cm³-Motor ab. Diese Goggo-Roller gab es bis 1956. Dann wurde die Produktion eingestellt und die Kräfte ganz auf den Bau des Goggomobils konzentriert.
Hier sieht man ein perfekt restauriertes Goggomobil, wie man es ab etwa 1956 sah. Die Foto stammt vom Lothar Spurzem und wurde am 29. August 2015 aufgenommen.