Dieser Beitrag erscheint in der OGS, weil der Hochlenkerbus von FBW auch in Seebach zum Einsatz kam. 1959 brachte Carrosserie- und Motorenbauer Franz Brozincevic (FBW) aus Wetzikon ZH zusammen mit Tüscher einen neuen Autobustyp heraus, den sogenannten Hochlenker oder FBW 71UH. Dabei war der Buschauffeur in einer rund 1.5 Meter höher platzierten Führerkanzel untergebracht, die ihm mehr Überblick gewährte. Wohl aus diesem Grunde bekam der Bus im Volksmund den Übernamen «Giraff».
Ein paar Angaben zu FBW
Franz Brozincevic wurde 1874 in Kroatien geboren. Mit 18 Jahren wanderte er in die Schweiz aus und fand eine Anstellung bei Saurer in Arbon. 1897 verschlägt es ihn in die neu gegründete Automobilfabrik Martini nach Frauenfeld, wo bis 1934 Automobile des gleichen Namens produziert wurden. Er arbeitete dort als Motorenprüfer. Im Jahr 1901 findet er eine neue Anstellung als Werkmeister bei der Automobilfabrik «Orion» in Zürich.
1904 gründet er eine eigene Reparaturwerkstätte in Zürich und wagt sich an die Konstruktion eines eigenen Motors. 1910 baut er den ersten eigenen Lastwagen und nennt ihn «Franz», dem ein Jahr später der erste Fünftönner-Lastwagen folgte. Dieser verfügte bereits über einen Kardanantrieb. Das war damals noch völliges Neuland, denn Lastwagen wurden zu dieser Zeit noch mit einem Mehrfachkettenantrieb bestückt, die den Nachteil hatten, dass sie in den Kurven schwer zu lenken waren, zum Ausbrechen neigten und einen hohen Pneuverschleiss aufwiesen.
1916 übernahm er die 1897 gegründete Motorenfabrik Wetzikon AG. 1918 begann er mit der Produktion von Lastwagen unter dem neuen Kürzel FBW. 1933 verstarb Franz Brozincevic und 1965 auch sein gleichnamiger Sohn. 1978 wurde FBW durch den Örlikon-Bührle-Konzern übernommen. 1983 wurde Saurer und FBW unter einer 40%-Beteiigung von Daumler Benz fusioniert. Nur zwei Jahre später verlässt der letzte Lastwagen die Werkhallen von Wetzikon. Mehr über FBW siehe ganz am Schluss unter Quellen!
Beschreibung des Hochlenker-Busses
Der Bus hatte ein Fassungsvermögen von 112 Fahrgästen, Stehplätze eingerechnet. Die Serie umfasste vorerst 12 Fahrzeuge. Hätten sie sich bewährt, wären weitere dazu gekommen. Soweit kam es aber nicht. Obwohl Kunden weltweit gesucht wurden, zeigten keine anderen Verkehrsbetriebe Interesse, sodass die Serienproduktion 1962 eingestellt werden musste. Nach anfänglicher Begeisterung der meisten VBZ-Busführer erwies sich der Einsatz der Hochlenker im Alltagsbetrieb nämlich schwieriger als anfänglich gedacht. Bald wurde es wieder ruhig um die Busse.
Gegenüber dem Prototypen verpasste man den 11 Serienbussen einige Änderungen bei der Frontgestaltung, der Bestuhlung, niedrigeren Einstiegsplattformen hinten um nur ein paar zu nennen. Es gab auch Vereinfachungen der griechischen Art: Die Busse waren etwas spartanischer ausgestattet.
Gründe für den Verzicht auf weitere Busse dieser Bauart
Welches die Gründe waren, warum die VBZ wieder vom Hochlenker abkamen, weiss heute fast niemand mehr. Deshalb seien sie hier kurz aufgeführt: Der wichtigste Grund sollen die positiven Erfahrungen mit dem neuen Saurer-Gelenkprototypen GUK gewesen sein, mit welchem der Hochlenker in Konkurrenz stand. Bislang galt der Gelenkbus betrieblich noch als zu teuer, denn der Hochlenker war etwas länger als ein Standardbus und fasste mit 112 Plätzen auch etwas mehr Personen, sodass er nahe an einen Gelenkbus heran kam.
Es gab allerdings noch weitere Gründe, die gegen den Hochlenker sprachen. Es waren dies:
- der höhere Anschaffungspreis
- kein so grosser Vorteil für den Chauffeur, der den höheren Preis gerechtfertigt hätte
- beschränktere Einsatzmöglichkeit, da es damals in Zürich noch etliche Unterführungen gab, welche die Gefahr einer Dachberührung bargen, speziell in jenen Unterführungen, wo auch das Tram durchfuhr und die Fahrdrähte auf 3.5 m hinunter reichten und somit in das Lichtraumprofil des Busses ragten. Damals wurde die Unterführung der Schaffhauserstrasse beim Bahnhof Örlikon genannt.
- ausserdem wären Hochlenker ausserhalb Zürichs nur mit aufwändigen Abklärungen einsatzfähig gewesen, es mangelte also am flexiblen Einsatz.
Ob dies alle Gründe waren, kann die OGS nicht sagen. Es sind diejenigen, welche man seinerzeit der Tagespresse entnehmen konnte. In der VBZ-Busgeschichte findet man leider keine Hinweise zu diesem Punkt.
Attraktion für Buben
Junge Buben fanden damals die Sitzposition des Wagenführers sehr originell. Recht oft standen sie ganz vorne, um ihm bei der Arbeit zuzusehen.
Vorteile des Hochlenkers
Der Wagenführer war in seiner erhöhten Position auch recht gut geschützt vor rauflustigen Fahrgästen. Damals, als der Bus noch im Einsatz stand, war das bei den Busbetrieben noch kein Problem. Wäre der Hochlenker noch heute im Einsatz, könnte sich der Wagenfphrer mit einem Polizeiknüppel aus bevorzugter Position leicht verteidigen, jedenfalls besser als in heutigen Bussen.
Das Ende des Einsatzes bei den VBZ
Der Prototyp des Hochlenkers trug 1959 die Nummer 219 und ab 1960 die neue Nr 239. Die nachfolgenden 11 Serienmodelle bekamen die Nummer 240 bis 250 und wurden 1960 bis 1961 ausgeliefert. Die Bussen blieben knapp 20 Jahre im Einsatz und wurden ab Ende der 1970er Jahre ausgemustert.
Berichte über das Schicksal der Busse
- Wie es scheint, wurden die Hochlenker nach ihrem Ausscheiden bei den VBZ nicht sofort abgewrackt, sondern fanden über allerlei Kanäle neue Abhnehmer. Ob das für alle Busse gilt, ist offen, doch scheinen sechs Busse weiter betrieben worden zu sein. Heute sind offenbar nur noch ganz wenige Exemplare am Leben. Wer mehr Details und vor allem Fotos von überlebenden Hochlenkern sehen will, suche unter Google Bilder. Es gibt dort zahlreiche Fotos zu bewundern.
- Im April 1980 sah ich zwei remisierte Exemplare bei Stettbach (Dübendorf) auf einem offenen Abstellplatz. An den Dachrändern konnte man bereits etwas Eisenoxid erkennen.
- Ein weiterer Hochlenker wurde 2006 zufällig von einer der OGS nahe stehenden Person in einer rumänischen Stadt in Siebenbürgen gesichtet. Diese Person erkannte den Bus anhand seiner Form eindeutig als einen ehemaligen Zürcher Hochlenker. Am Rückfenster hing noch eine Werbung vom Hallenstadion. Es scheint offensichltich so zu sein, dass es sich bei diesem Bus um einen umgebautes Wohnmobil gehandelt hat. Da er nicht blau-weiss gestrichen war, dürfte es sich um die Nummer 244 gehandelt haben. Es muss daher vermutet werden, dass dieser sich in hervorragendem Zustand befindliche Bus den privaten Besitzer im Jahre 2006 noch soviel Mut einflösste, dass er eine Reise nach Rumänien unternahm. Von Mut kann durchaus gesprochen werden, denn im Jahre 2006 war das Gefährt ja schon 46 Jahre alt.
- Am Karfreitag, den 3.4.2015 fuhr ein Hochlenker in dunkler silbergrauer Farbgebung um 13.06 Uhr von Weinfelden her durch Amriswil in Richtung Arbon. Leider sah ich ihn nur wenige Sekunden und hatte die Kamera nicht dabei. Welche Nummer es war konnte ich daher nicht ermitteln, vermutlich war es jener Bus mit der Nummer SG 13934, von welcher man unter Google mhrere Fotos sieht. Aufgefallen ist mit dabei der kräftige Knatterton des Motors, da heutige Busse deutlich leiser sind.
- Bei den zwei von Markus Tanner im Jahre 2006 in der Nähe von Lenzburg gesichteten Hochlenkern handelte es sich beim hinteren um die Nummer 245, während der vordere noch nicht identifiziert werden konnte.
Das Schicksal der einzelnen Busse
- 239: Den Prototypen haben die VBZ überleben lassen. Er ist als Museumsfahrzeug erhalten geblieben. Er wurde bei der Ausrangierung an zwei Privatpersonen verkauft, welche ihn restaurierten. Danach ging er wieder in den Besitz der VBZ über, welche ihn eine Zeit lang remisierten und dann dem FBW Club schenkten. Heute steht er im FBW-Museum und ist für das Publikum zu besichtigen.
- 240: Dieser Bus diente als Ersatzteilspender für den heitigen Museumsbus der VBZ. Damit dürfte er von den gleichen Privatpersonen erworben worden sein, welche die Nr. 239 restaurierten. Er wurde 1987 in Waltenschwil AG abgebrochen.
- 241: Dieser Bus ging an eine Privatperson in Dällikon und wurde in ein Wohnmobil umgebaut oder war dafür vorgesehen. Mehr ist noch nicht bekannt.
- 242: unbekannt
- 243: unbekannt
- 244: Gesichert ist, dass die Nr. 244 einen privaten Käufer in Wittenwil fand, der ihn in ein Wohnmobil umbaute und äussert nobel in schwarz und Gold bemalte. Dieser Bus verfügte an der Front über zwei FBW-Schilder. Der Bus wurde 2006 von Markus Tanner gesichtet und befand sich in tadellosem Zustand. Es zeigt in eindrücklicher Weise, was fast alle anderen Besitzer von Hochlenkern falsch gemacht haben: Mangelhafter Unterhalt, mangelnde fachmännische Pflege und keine optimale Remise, wo das Fahrzeug von Witterungeinflüssen geschützt ist.
- 245: Dieser Bus stand noch ohne Nummernschild bis Juni 1982 im Busdepot Hagenholzstrasse, wie eine Foto des Genfer Fotografen André Knoerr belegt und wurde noch im gleichen Jahr an eine Privatperson in Dübendorf verkauft, der ihn in ein Wohnmobil umbaute. Da war der Bus noch in einwandfreiem Zustand. Er wurde 2006 von Markus Tanner bei Lenzburg in bereits ziemlich verwitterten Zustand neben einer Fabrikhalle gesichtet und später abgebrochen.
- 246: Dieser Bus diente ab 1986 als Ersatzteilspender. Mehr ist noch nicht ermittelt.
- 247: Dieser Bus ging anfänglich retour an die Firma Tüscher in Dällikon ZH. 1988 kam er an eine Privatperson in Möriken AG. Danach verlieren sich die Spuren.
- 248: unbekannt
- 249: unbekannt
- 250: Dieser Bus befand sich auch viele Jahre nach seiner Ausserdienststellung noch in gutem Zustand. Er wurde 1993 an Herrn Rüegg von der Firma Oldie-Tours in Schmerikon weiter verkauft, die ihn für Extrafahrten einsetzte. Er war noch am 3.10.1998 in bestem Zustand, wie eine Foto, aufgenommen in Rüti ZH belegt. Anlass für den Ausflug durch die Oldie-Tours war das 50-Jahr-Jubiläum der Verkehrsbetriebe Zürcher Oberland (VZO), heute Verkehrsbetriebe Zürichsee und Oberland. Siehe Foto nebenan! Er ist heute leider im Freien (!) remisiert und nicht mehr fahrtüchtig. Er soll sogar in schlechtem Zustand sein. Eigentlich erstaunlich für ein Fahrzeug, welches noch vor 14 Jahren in perfektem Zustand war.
Viele dieser Busschicksale konnte die OGS erst dank der Angaben von Martin Braunschweiler ein wenig erhellen. Es sei ihm herzlich gedankt für die wertvolle Arbeit.
Die technischen Daten des Hochlenker-Busses lauteten gemäss VBZ:
Die OGS besitzt leider keine eigenen Fotos des Hochlenkers und keine Bewilligung zur Publikation der vorhandenen, fremden Fotos. Daher sei auf die zahlreichen Fotos auf Google Bilder verwiesen. Man findet sie unter dem Suchbegriff: Hochlenkerbus von FBW.
Quellen: - Tagespresse - OGS-eigene - Fabian Mösli (Sichtung in Rumänien 2006) - VBZ - www.pfeffer.ch/fbwmuseum.htm (Firmengeschichte FBW) - www.fbw.ch - Martin Braunschweiler (Übername Giraff, einige weitere Präzisierungen und Verbesserungen im Text sowie Angaben zum Schicksal der Busse)