Frau Petermann war bereits beim Antritt ihrer Stelle am 30. Mai 1950 eine allseits beliebte, jüngere Kindergärtnerin und leitete während drei Jahren die Parallelklasse von Frau Else Frei im Kindergarten Schönauring, anfänglich Kindergarten Köschenrüti genannt, jedenfalls beim Schulfotografen H. Haagmans. Da sie in den damals noch etwas strengeren Wintern oftmals mit den Kindern nicht an die frische Luft gehen konnte, ersann sie zahlreiche Arbeiten, an welchen dann die Kinder während vielen Tagen arbeiten konnten. Speziell für Buben und ganz speziell für die eher technisch Begabten hatte sie die Idee, einen riesigen Turm aus Bauklötzen bauen zu lassen. An einem solchen Turm arbeiteten dann mehrere Buben einen ganzen Tag lang unter Verwendung von Hunderten von Bauklötzen. Zuletzt mussten die Buben auf Stühle und Tische steigen, um die letzten Klötze auf der nur noch ganz schmalen Plattform ganz oben anzubringen. Der Turm war geschätzte zwei Meter hoch und die Kinder waren samt Frau Petermann so stolz auf das Werk, dass sie die Nachbarklasse von Frau Else Frei einluden, beim Aufsetzen des letzten Bauklotzes dabei zu sein.
Ich war eines der rund 30 Kinder von der Parallelklasse und zusammen mit einer etwa gleich grossen Schar von Kindern von Frau Petermann ergab das ein rechtes Gedränge um den Turm herum. Wer ihm zu nahe kam, wurde sofort von Frau Petermann vom Turm weg gezogen, so sehr fürchtete sie um das Werk ihrer Kinder. Dann begab sich ein Bub namens Fredi, Hans, Fritz oder Heinz, so genau weiss ich das nicht mehr, auf den nahe am Turm platzierten Tisch, stieg dort auf einen Kindergärtnerstuhl und war bereits im Begriff, voller Freude den letzten Bauklotz aufzusetzen. Doch genau in diesem Augenblick schien er mit seinen Hosenbeinen den Turm nur ganz schwach zu berühren. Und noch ehe er den letzten Klotz aufsetzen konnte, stürzte der Turm mit ohrenbetäubendem Lärm in sich zusammen, einen riesigen Trümmerhaufen hinterlassend. Nachdem der Lärm verhallt war, war es einen kurzen Moment lang so still wie in einer Polarnacht. Konsternation herrschte, besonders bei den Kindergärtnerinnen. Dann begann das Geschnatter der Kinder erst leise und dann immer lauter werdend, den verklungenen Lärm des Einsturzes noch zu übertönen. Da hörte man Bedauern über die viele unnütze Arbeit, aber auch Begeisterung über das eindrückliche Erlebnis.
Ich habe aber nicht nur den Einsturz immer noch in lebhafter Erinnerung, sondern auch die Art des Aufbaues des Turms und glaube, dass sie erst vor einigen Jahren, nämlich am 20.6.2009 im Tages-Anzeiger-Magazin einen Nachbau des Petermann-Turms auf dem Titelbild gesehen hat. Es war der 823 Meter hohe Burdsch Chalifa in Dubai!