In Erinnerung geblieben ist mir ein Verweser namens Walgis, welcher im Jahre 1957 einsprang, weil Lehrer Herbert Hartmann in den Militärdienst musste. Sein Vorname ist in Vergessenheit geraten, doch in Erinnerung geblieben ist seine Schulmethode. Zu erwähnen ist noch, dass dies die 7. Primarklasse betraf, welche damals von zahlreichen Schülern besucht wurde, welche beim ersten Anlauf die Aufnahmeprüfung in die Sekundarschule nicht bestanden hatten. Allgemein galt damals, dass der Unterricht in der Oberstufe der Primarschule als nicht so anstrengend empfunden wurde, vor allem, wenn man es als durchgefallener Sekundarschüler mit der Probezeit in der Sek verglich.
So war es nicht weiter verwunderlich, dass neben massvoll Rechnen, Geometrie und Lesen, den angenehmeren Fächern wie Geografie, Geschichte und Physik etwas mehr Aufmerksamkeit zuteil wurde. Da Herr Walgis offenbar sehr viel von Physik verstand, nahmen wir in seinem Unterricht das Auto (!), das Dampfschiff (!) und das Flugzeug (!) durch, jeweils mit Funktionsweise des Motors und zwar gleich mehrmals wöchentlich. Er verstand es, diesen Unterricht so spannend zu gestalten, dass die sonst recht unartigen Schüler andächtig zuhörten und völlig vergassen, den gewohnten Unsinn zu machen.
Selbstverständlich gab er auch Unterricht in Rechnen, deutscher Sprache, Geschichte, Geografie usw., doch hat er nie einen Schüler blossgestellt, wenn der etwas nicht wusste, nicht verstand oder begriff. Da zeigte er dann, dass er über einen fast unendlichen Langmut verfügte.
Dankbar war man auch dafür, dass Herr Walgis offenbar kein besonders berühmtes Singorgan besass, denn gesungen wurde während seiner Unterrichtszeit nie. Auch mit Schönschreiben mussten wir uns nicht herum schlagen und auch von vielen anderen Unannehmlichkeiten verschonte er uns. Dennoch hatte mancher Schüler das Gefühl, mehr gelernt zu haben, als wenn normaler Unterricht gewesen wäre.
Das merkten die Schüler dann sehr schmerzlich, als nach 3 Wochen WK Herbert Hartmann wieder die Regie übernahm und sein vergleichsweise viel strengerer Unterricht die Buben wieder heraus forderte, den Schulbetrieb zu stören oder Spässe zu machen.
Auch wenn die Schüler das Gefühl hatten, dass Herbert Hartmann ein eher strenger Lehrer war, hatte natürlich auch er den Schülern etwas zu bieten, denn sein Geografie-Unterricht war beliebt. Das lag daran, dass er während dem Besuch des Lehrer-Seminars eine Auslandreise unternahm und uns viel von seiner Reise nach Dänemark erzählte.
Herr Walgis ist bei mir in Erinnerung geblieben als ein äusserst angenehmer Lehrer, der es verstand seine Schüler zu faszinieren und zu begeistern. Für jene Zeit war er für mich der Inbegriff eines Lehrers. Während mehrerer Wochen ging ich sehr gerne zur Schule und fühlte mich völlig unbeschwert. Leider gingen "diese schönen Tage in Aranjuez" etwas zu rasch vorbei. Friedrich Schiller lässt grüssen. Der Verweser Walgis blieb bei mir bis heute in bester Erinnerung, selbst nach über 60 Jahren!