OGS Seebach - Beitrag

Kremos, Olga
Personen – Übrige – historisch
1912-1997. Unter dem wenig schmeichelhaften Übernamen «Rossmetzgerin» versah eine Zahnärztin der Schulzahnklinik Liguster in Örlikon in den 1940er bis 1960er Jahren ihren Dienst. Obwohl eigentlich in Örlikon tätig, wird sie hier aufgeführt, weil erstens die Seebacher Schuljugend zwischen 1934 und 1958 keinen eigenen Schulzahnarzt mehr hatte und einige Seebacher deshalb bei ihr in Behandlung waren und zweitens weil Frau Kremos zeitweise auch in Seebach wohnte. Sie ist in Luzern aufgewachsen. Ihre Mutter war eine Luzernerin, ihr Vater stammte aus Griechenland. Sie war bis zur Pensionierung im Jahre 1974 bei der Schulzahnklinik Liguster beschäftigt und übte ihren Beruf auch später in einer Privatpraxis noch zeitweise aus.

Sie sorgte während den 1940er bis 1960er Jahre für Gesprächsstoff auf den Seebacher Pausenplätzen und zwar immer dann, wenn eine Klasse ein Aufgebot erhielt. Die Zahnärztin war offenbar bei zahlreichen Schülern dafür bekannt, dass sie selbigen angeblich mit einer gewissen Rauheit auf den Zahn fühlte. Ich war allerdings fast immer bei Frau Kremos in Behandlung und habe alle ihre Eingriffe problemlos überlebt.

Einen anderen Teil des gefürchteten Rufes hat sie sich selber eingehandelt, indem sie jene Schüler, welche wegen mangelhafter Zahnpflege zu ihren Löchern kamen, ganz ungeniert rüffelte. Das hörte natürlich nicht jedermann gerne. Dazu gehörte auch ich und es war mir nach dem zahnärztlichen Rüffel jeweils ein bisschen mulmig zu Mute. Immerhin hat sie mir aber auch ein schlechtes Gewissen gegenüber meinen Zähnen anerzogen mit dem Erfolg, dass mit zunehmendem Alter die Einsicht, seinen Zähnen Sorge zu tragen, besser wurde.

Nach und nach begriff ich dann, was sie meinte, wenn sie mahnte, ob es denn toll sei, schon mit 20 Jahren mit einem «Kunstmaul» herumlaufen zu müssen. So begann ich gerade noch früh genug, meine Zähne fleissiger zu schrubben, mit dem Ergebnis, dass sie fast alle bis heute erhalten geblieben sind. Frau Olga Kremos oder eben der «Rossmetzgerin» sei Dank!

Überliefert ist auch die Geschichte aus dem Jahre 1954, wo ein Mädchen wegen angeblich ruppiger Behandlung durch Frau Olga Kremos dieser während der Behandlung einen Tritt ans Bein gegeben haben soll. Das war schon allerhand bei der damals noch fast sprichwörtlichen Artigkeit der Mädchen. Es wurde vor die Türe geschickt und musste bis zum Schluss warten, ehe es weiter behandelt wurde.

Ein anderer Bub erzählte, dass er der Frau Kremos in den Finger gebissen habe, als sie ihm zu grob wurde. Wer's glaubt? In Wirklichkeit bekam die «Rossmetzgerin» ihren wenig schmeichelhaften Übernamen, weil damals alle Zahnärzte noch mit Geräten arbeiten mussten, die eher an Schlagbohrmaschinen erinnerten. So gesehen, waren alle Zahnärzte «Rossmetzger». Der eine etwas beherzter, der andere etwas schonender.

Den gefürchteten Ruf hat sich Frau Kremos auch dadurch eingehandelt, weil sie möglicherweise bevorzugt für das Zähneziehen eingesetzt wurde, welches sie sehr gut beherrschte, damals aber noch eine ziemlich rabiate Angelegenheit war, wie in der obersten Zeichnung nebenan gut ersichtlich ist. Zuletzt sei zu ihrer Ehrenrettung noch gesagt, dass die Kinder es durchaus in den Händen gehabt hätten, durch bessere Pflege der Zähne dafür zu sorgen, dass Frau Kremos gar nie hätte bohren oder gar ziehen müssen. Ausserdem war in einem Artikel mit dem Titel «Der 'Rossmetzger' ist längst Vergangenheit» im Tages-Anzeiger vom 19.11.2008 über das 100-jährige Bestehen der Schulzahnklinik der Stadt Zürich zu lesen, dass man in den ganz frühen Jahren die Zahnärzte ganz generell als «Rossmetzger» bezeichnete.

Genau dies sagte auch Marcel Fisler, welcher sich noch wie folgt an die Schulzahnklinik in Örlikon erinnerte: "Wie in jeder Schulzahnklinik gab es auch dort eine 'Rossmetzgerin' und mein Bruder malte mir genüsslich und in den schrecklichsten Farben aus, wie eine Behandlung bei ihr aussah. So war ich eingestimmt als das Schicksal dann zuschlug. Nur mit grösster Mühe brachte Mutter mich überhaupt in den Behandlungsraum, wo mehrere Marterstühle vor der langen Fensterfront aufgereiht waren. Neben jedem, als schreckeinflössendes Marterinstrument par Excellence, ein Turm mit einem langen Teleskop-Arm mit vielen Gelenken und beweglichen Gliedern, zahllosen, immer kleiner werdenden Rädchen, untereinander verbunden mit dünnen Seilen, wie Treibriemen in einer Fabrik, und, ganz am Ende dieser Übersetzungskette, dem Bohrer.

Es brauchte drei Erwachsene, um mich auf dem Stuhl so festzuhalten, dass die Rossmetzgerin ihres Amtes walten konnte. Eine schmerzstillende Spritze gab es nicht. Ich weiss nicht, ob solche damals einfach noch nicht so verbreitet waren oder ob sie für diesen subventionierten Betrieb zu teuer waren oder ob ich zu viel Angst davor hatte oder ob es ganz einfach nicht nötig war. Mir blieb der Tag als schreckliche Tortur in Erinnerung, umgeben von bösartigen Folterknechten in weissen Mänteln und einer hilflosen Mutter. Weitere Versuche, mich auch nur in die Nähe dieser Klinik zu bringen, scheiterten und ich glaube, meine Mutter insistierte auch nicht lange, ging ihr doch zweifellos die Szene, wie ich auf den Stuhl gezwungen und mit roher Kraft festgehalten wurde, nahe. Fortan brachte sie mich zum Zahntechniker Hort in Oerlikon. Ich betrat nie mehr eine Schulzahnklinik."

Ein erstes Mal nach ihrer Pensionierung machte sie sich bei der OGS bemerkbar, indem sie zwischen 1985 und 1990 in sechs Spielfilmen des VFCN mitspielte und zwar

1985 als russische Partisanin und als deutscher Luftwaffen-Fliegeroffizier (sie spielte also die Rolle eines Mannes)
1986 als Hirtin
1987 als Südstaatenfeldweibel (siehe Foto), erneut als Mann
1988 als Burggräfin und Bäuerin
1989 als französische Revolutionärin von 1789
1990 als Pfahlbauer-Schamanin

Die Rolle von 1990 war ihr letzter Auftritt. Im Übrigen war sie Mitbegründerin des VFCN im Jahr 1985.

Ein zweites Mal machte sie sich bemerkbar, indem sie einen Leserbrief an die Vorstadt schrieb, welcher am 30. März 1989 publiziert wurde. Es war ein sehr versöhnlich klingender Beitrag zum Tag der offenen Tür in Zürichs einziger Moschee.

Ein drittes Mal meldete sie sich in einem Leserbrief in der gleichen Zeitung am 2. September 1993, wo sie meinte, dass es an der Zeit wäre, dass man dem Örliker Unternehmer Emil Bührle eine Strasse widmen sollte. Sie schlug vor, dass man die Allenmoosstrasse in Örlikon in Emil-Bührle-Strasse umbenennen sollte. Da die Umbenennung einer Strasse in Zürich ein hochkomplexes Verfahren erfordert, löste ein Leserbrief in der Vorstadt logischerweise nichts aus, denn ein solcher Vorschlag hätte in schriftlicher Form direkt an die städtischen Behörden zuhanden der Strassbenennungskommisssion gerichtet werden müssen. Dabei ist noch nicht einmal geklärt, wer denn überhaupt berechtigt ist, einen solchen Vorschlag einzureichen.

Ein viertes Mal machte sie sich bemerkbar, als sie durch eine eher philosophische Äusserung meinte: Von gestern kommt das Heute und vom Heute kommt das Morgen. Das soll allerdings noch auf dem Mist von Dr. F. Riedler entstanden sein.

Zuletzt, aber deshalb nicht minder wichtig, sei noch erwähnt, dass sie auch eine passionierte Hobbyfotogräfin war. Sie arbeitete gerne mit einer guten Polaroid-Kamera und zwar bis zuletzt, wie die OGS hörte. Ob sich das 'zuletzt' auf ihr Alter oder jenes ihrer Kamera bezog, ist nicht mehr bekannt.

Quellen:
- OGS-eigene
- Tages-Anzeiger, 19.11.2008
- Marcel Fisler (8. und 9. Abschnitt)

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