Die Entstehungsgeschichte der Spaghetti alla carbonara
Gastronomie – Geschichte – aktuell
Dieser Beitrag ist neu und erfährt wohl noch die eine oder andere Korrektur, Ergänzung oder Verbesserung. Die Spaghetti alla carbonara kann man nicht isoliert betrachten. Das Gericht steht in engem Zusammenhang mit den Bucatini/Spaghetti all'Amatriciana und den Spaghetti alla Gricia/Griscia und logischerweise auch mit den beiden Vorstufen dieser Gerichte, nämlich dem "Cacio e Pepe" und dem "Cacio e Ova". Das Rezept für den "Cacio e Pepe" konnte ich in zwei italienischen Kochbüchern finden, sie wurden dem Latium zugeordnet, den "Cacio e Ova" hingegen konnte ich noch nicht finden, er wird bisher nur in Wikipedia erwähnt.
Über die Entstehungsgeschichte der Carbonara gibt es verschiedene Hypothesen, Sagen und Theorien denen ich im Laufe der Zeit begegnet bin. Nachfolgend seien jene aufgeführt, die man immer mal wieder liest:
Es ist ein Gericht der neapolitanischen Küche
In der Küche Neapels gibt es ein Teigwarengericht, bei dem man Eier hinzufügt. Es ist kein Gericht der Adligen und Vornehmen, sondern wohl eher eines des einfachen Volkes. Dieses Gericht wird im Kochbuch "La Cucina" als eigenständiges, neapolitanisches Gericht aufgeführt. Jenes Gericht, wo Eier und Speck hinzugefügt wird, konnte ich bisher in keinem Kochbuch finden. Ein Zusammenhang mit der Carbonara scheint daher eine reine Vermutung zu sein und ist völlig unbelegt.
Es stammt von Köhlern und Schafhirten aus dem Apennin
Die Bezeichnung "alla Carbonara" bedeutet: Nach Art der Köhlerin. Es soll in der Region Latium, also rund um Rom sowie teils auch in den Nachbarregionen zum Apennin hin in den vergangenen Jahrhunderten bei den Köhlern entstanden sein und zwar in der Zeit als die Kohlenmeiler liefen. Da die Hirten und Bauern ausserhause waren und bei der Verpflegung auf das Wenige zurückgreifen mussten, welches sie bei sich hatten, benützten sie Zutaten wie Teigwaren, Schafkäse und Pfeffer. Sie nannten ihr Gericht "Cacio e Pepe". Dieses Gericht wird gerne als der früheste Ursprung der Carbonara betrachtet. Dieses Gericht ist bis heute überliefert und wird im Kochbuch "La Cucina" unter Latio als "Spaghetti Cacio e Pepe" auch erwähnt. Doch wie sehr dieses Gericht mit den Schafhirten und Köhlerinnen einen Zusammenhang hat, ist völlig offen und nicht belegt. Grundsätzlich ist an dieser Vermutung zwar nichts falsch, doch ist das Gericht bestenfalls ein sehr früher Vorläufer der Carbonara.
Die Carbonara entstand aus dem Gericht Spaghetti alla Gricia
Im Osten des Latiums soll es schon seit langem die Spaghetti alla Gricia gegeben haben. Salopp gesagt entspricht es ebenfalls dem Rezept "Cacio e Pepe", dem man noch Guanciale hinzufügte. In Rezepten wird es gerne als uralt bezeichnet. Für dieses Gericht gäbe es Rezepte, welche in ähnlicher Art bis in die Zeit ums Jahr 400 zurückreichen, als es griechische Bäcker (!) in Rom herstellten, allerdings nicht in der Gegend von Rieti, wo es eigentlich hingehört hätte. Nach ihnen, den sogenannten "Grici", könnte das Gericht seinen Namen bekommen haben. Mit dieser Vermutung habe ich etwas Mühe, was den Zusammenhang betrifft.
Gemäss "La Storia della Pasta alla Griscia", herausgegeben von der "Associazione Amici di Grisciano" stammt das Gericht jedoch aus dem Bergdorf Grisciano, einem Ortsteil von Accumoli. Dort findet jedes Jahr im August die "Sagra della pasta alla griscia" statt. Die dortige Gricia wird denn auch Griscia genannt und auch ein bisschen anders ausgesprochen: Grischa und nicht Gritscha. Da wäre es interessant, zu erfahren, seit wann denn dieses Fest gefeiert wird. Das brächte zumindest einmal etwas mehr Klarheit, wie alt denn die Griscia von Grisciano tatsächlich ist. Ob dann die Gricia von Amatrice oder Rieti mitgemeint ist, scheint noch offen zu sein. Offen ist auch noch, ob mit Gricia und Griscia dasselbe gemeint ist und nur anders geschrieben wird.
Wikipedia hingegen vermutet eine ganz andere Herkunft. Die Bezeichnung des Namens sei wohl eher von den" Grici" abgeleitet. So wurden im Rom des neunzehnten Jahrhunderts die Verkäufer von Brot und Lebensmittel genannt, einige von ihnen stammten aus dem Schweizer Kanton Graubünden, der italienisch Grigioni heisst. Sie könnten dem Gericht den Namen gegeben haben. Doch das geschah ebenfalls in Rom und nicht in der Gegend von Rieti und Grisciano. Es scheint so zu sein, dass es die Gricia/Griscia schon länger gibt und zwar in der Gegend von Rieti, Amatricie und Grisciano. Sie ist der 'weisse' Vorläufer der späteren Bucatini all'Amatriciana.
Im Jahre 1930 publizierte Ada Boni ihr Kochbuch "La cucina romana", doch erwähnte sie darin die Carbonara nicht. Ob auch die Gricia/Griscia und die Amatriciana in ihrem Buch unerwähnt blieb, steht nirgends geschrieben. Nachprüfen kann ich es nicht, denn das Buch ist vergriffen. Ein anderer Grund könnte sein, dass die Gegend von Amatrice bis 1927 noch zur Provinz Abruzzen gehörte. Erst seit 1927 ist Amatrice eine Gemeinde der Region Latium.
Im Kochbuch "La Cucina" der "Accademia Italiana della Cucina" wird ein Secondino Freda erwähnt, welcher einen Teil der Sache erhellen konnte: Die Bucatini all'Amatriciana stammen von einem in Rom niedergelassenen Koch aus Amatrice, welcher das Gericht vor etwa 100 Jahren kreierte und es nach seinem Heimatort benannte. Die Kreation bestand darin, dass er der Gricia/Griscia noch Tomaten hinzufügte. Es stammt also nicht von Amatrice, aber es wurde nach Amatrice benannt. Es ist somit etwa 25 Jahre vor der ersten Erwähnung der Carbonara entstanden.
Die Carbonara stammt aus der Stadt Rom
Die Teigwarenfabrik Barilla schreibt zur Carbonara: "Die Herkunft dieses Gerichts ist nicht eindeutig geklärt und es gibt diesbezüglich unterschiedliche Erzählungen. Nach der bekanntesten Version stammt dieses Gericht aus der Region Latium und insbesondere aus der Stadt Rom." Diese Aussage scheint korrekt zu sein und lässt dennoch ein Türchen offen für eine noch vertieftere Wahrheit, die noch offen ist.
Die Carbonara stammt von den US-Truppen in Rom
Tatsache ist, dass es für die Carbonara keinerlei schriftlichen Belege gibt, die von früher als 1944 stammen. Das ist ungewöhnlich, denn klassische italienische Kochrezepte kann man in grosser Zahl viele Jahrhunderte zurückverfolgen, teils bis ins alte Rom. Genau das spricht dafür, dass das heutige Gericht der Spaghetti alla carbonara wahrscheinlich kein uraltes Gericht ist und dass somit die Vermutung nahe liegt, dass es tatsächlich erst gegen Ende des 2. Weltkrieges in Rom entstanden sein könnte. Dies wird auch in Livio Jannattonis Kochbuch "La Cucina Romana e del Lazio" aus den Jahren 1998 und 2013 so beschrieben. Einen fast gleich lautenden Beitrag gibt es auch in "La Cucina".
Oft werden die Spaghetti oder Bucatini alla cabonara trotz ihrer noch jungen Geschichte als traditionelles Gericht bezeichnet. Das ist korrekt, denn traditionell nennt man ein Gericht, wenn es wenigstens seit drei Gerationen überliefert ist und das wären so etwa 75 Jahre. Und diesen Anspruch erfüllt das Gericht aus Rom.
Warum heisst das Gericht Carbonara?
Fragt man bei Google unter "italienisch-deutsches Wörterbuch" nach einer Übersetzung von "Carbonara", bekommt man die lustige Antwort: Eier und Speck! Das ist der Bedeutung nach zwar richtig, aber es ist natürlich keine Übersetzung. Korrekt übersetzt bedeutet es nämlich "nach Art der Köhlerin". Wie man aber 1944 in Rom auf diese Bezeichnung gekommen sein soll, ist noch völlig offen und ungeklärt. Köhler/Köhlerin ist nämlich ein Beruf, der schon 1944 keine grosse Bedeutung mehr hatte. Carbonaro bedeutet in der italienischen Sprache aber nicht nur Köhler sondern auch Kohlenhändler, doch hilft das auch nicht weiter.
Da es in Rom zwei Restaurants mit dem Namen "La Carbonara" gibt, stellte sich die Frage: Waren sie die Namensgeber? Nachforschungen bei diesen Restaurants ergaben aber, dass es keinen Zusammenhang mit dem Gericht gibt. Die Namensgleichheit ist rein zufällig.
Man könnte daher vermuten, dass die US-Truppen mit ihren Eier- und Speck-Rationen, welche sie mit in die Restaurants nahmen und den Köchen zur Verarbeitung übergaben, dem Gericht schlicht und einfach einen Fantasienamen gaben.
Wikipedia schreibt, dass die Sauce mit Eiern und Speck genau jene Zutaten beinhaltete, die um 1944 zur Kriegsration der amerikanischen Soldaten gehörten. Die einen meinen nun, es sei ein römischer Koch gewesen, der "Cacio e Pepe" mit "Bacon and Eggs" verfeinerte. Wieso ein italienischer Koch? Ganz einfach. Die amerikanischen Soldaten brachten ihre Essrationen mit in italienische Restaurants und liessen sich daraus von den Köchen etwas Gutes kochen. Andere vermuten eher, dass die Amerikaner selbst auf die Idee dieser Kombination kamen. Das dürfte heute kaum mehr geklärt werden können, doch ist es eher wahrscheinlich, dass es die Köche der römischen Restaurants waren.
Guanciale oder Pancetta?
Bis heute wird immer wieder diskutiert, ob nun Pancetta oder Guanciale verwendet werden soll. Es ist anzunehmen, dass die USA im Jahre 1944 ihren Truppen mit Sicherheit keinen amerikanischen Guanciale nach Rom lieferten, sondern wohl eher einen einfachen, ungeräucherten Bauchspeck und der heisst in Italien Pancetta. Doch ist das Latium eben die Gegend, in welcher der feinere Guanciale gut verankert ist. Er kam vermutlich wohl erst etwas später ins Spiel, als die kriegsbedingte Hungersnot im Latium vorbei war. Der Guanciale ist ein Speck von der Schweinsbacke. Er wird vorzugsweise im Latium und in den angrenzenden Regionen hergestellt. Es handelt sich um einen besonders würzigen Speck, darum hat man ihn gegenüber der Pancetta wohl bevorzugt.
Spaghetti oder Bucatini?
Diese Frage stellt sich vor allen beim Amatriciana-Rezept. Auf dem Ortseingangsschild von Amatrice steht nämlich neben der Ortsangabe auch der Hinweis, dass man jener Ort der berühmten Spaghetti all'Amatriciana sei. Die Betonung liegt bei "Spaghetti"! Sowohl die Gricia/Griscia als auch die Carbonara ebenso wie die Amatriciana werden in Amatrice bevorzugt mit Spaghetti und in Rom eher mit Bucatini serviert. Bei der Carbonara und der Gricia/Griscia empfiehlt man lediglich lange Teigwaren. Die Bucatini stammen ziemlich sicher von Sizilien. Man kennt sie dort seit dem 12. Jahrhundert.
Zur Begründung, warum die Römer die Bucatini bevorzugen, wird gerne erwähnt, dass die hohlen Bucatini den Vorteil hätten, dass die Sauce auch von innen her die Teigwaren umgebe und sich daher beim Essen intensiver anfühle. Um dies zu prüfen habe ich mir bei meinen Versuchen mit den Bucatini erlaubt, selbige an verschiendenen Stellen durchzuschneiden. Dabei konnte ich feststellen, dass im Innern aller durchschnittenen Bucatini überhaupt keine Sauce floss. Die Hohlnudeln waren stets leer. Wenn Liebhaber der Bucatini sagen, sie schmecken ihnen besser als Spaghetti, dann muss das an der grösseren Oberfläche an der Aussenseite der Bucatini liegen und nicht am Hohlraum. Dazu würde ich gerne mehr erfahren von Köchen, doch konnte mir bisher noch keiner weiter helfen. Wikipedia schreibt: "Durch ihre hohle Form nehmen sie, ebenso wie die von vornherein mundgerechten Makkaroni oder Penne, Saucen gut auf und sind weich im Biss." Was muss ich denn tun, damit die Sauce auch bei mir ins Innere der Bucatini gelangt?
Fazit
Heute ist man sich aufgrund der vorhandenen Fakten einigermassen einig, dass die Carbonara im Jahre 1944 in Rom entstanden ist. Cacio e Pepe war ganz am Anfang und vor längerer Zeit. Dann wurde das Gericht ergänzt mit Guanciale. Daraus wurde die Gricia/Griscia. Die Ergänzung mit Tomaten wurde zur Amatriciana und jene mit Ei zur Carbonara.
Liest man Kochprozeduren aus der Zeit von 1960 bis 1990, stellt man rasch fest, dass die heute (2021) herumgebotenen Prozeduren recht neu sein müssen. Aber: Nicht das Rezept hat sich verändert, sondern lediglich die Prozedur. Die Rezepte des bekannten, inzwischen verstorbenen Antonio Carluccio gelten heute bei den Spitzenköchen als eher veraltet, sowohl was die Zutaten wie die Zubereitung betrifft.
Rezepte leben ganz offensichtlich und entwickeln sich laufend. Wer alte Kochbücher hervornimmt, stellt auch bei anderen Gerichten fest, dass man heute nicht mehr so kocht. Aus diesem Grunde sollte man eigentlich auf den Begriff "original" verzichten, denn er wirkt besserwisserisch und rechthaberisch. Statt "original" sollte man besser "authentisch" sagen, das ist etwas unverbindlicher. Was vielen Kochfreunden weniger bewusst ist, ist der Umstand, dass gerade in der italienischen Küche das individuelle Interpretieren und Improvisieren eine wichtige Eigenschaft dieser Küche ist, das sagt ebenfalls die "Accademia Italiana della Cucina".
Zudem meinte Antonio Carluccio: "Die Kreation eines Teigwarengerichtes bedeutet für mich, die Fantasie eines kulinarischen Künstlers zu besitzen, der es versteht, aus der Fülle köstlicher Zutaten ein Meisterwerk von erlesenem Geschmack und hervorragender Qualität zu schaffen." Der Kochkünstler oder die gute und erfahrene italienische Hausfrau interpretiert somit auch ein traditionelles Gericht und das bedeutet soviel wie: Er oder sie ändert etwas an der Rezeptur oder an der Prozedur und das dürfen sie beide. Ein Rezept immer und immer wieder stur nach einer (angeblich) originalen Vorlage zu kochen, das kann man einem Schimpasen überlassen.
Die einzig wahre Carbonara gibt es nicht!
Für die Zubereitung des jetzt gerade gültigen Originalrezepts werden verschiedene italienische Teigwaren benützt. Spaghetti sind am gebräuchlichsten, dann folgen die Bucatini. Das hängt auch von der Gegend ab.
Beim Speck wird wenn möglich auf Guanciale zurückgegriffen. Hat man keine Schweinsbacke zur Verfügung, dann weicht man in Italien auf die Pancetta aus und seltener auf den Lardo oder den Bacon (darunter versteht man in Italien den Schinkenspeck). Hinzu kommen noch geriebener Pecorino romano und Eier, manchmal auch nur die Eigelbe. Die Teigwaren werden mit dem Speck, etwas Kochwasser und der Käse-Ei-Mischung sowie frisch gemahlenem Pfeffer vermengt. Die erwärmte, aber nicht gekochte Käse-Ei-Mischung bildet bei richtiger Zubereitung eine angenehm cremige Sauce.
Dass man in Italien statt Guanciale sehr oft durchwachsenen, luftgetrockneten Bauchspeck wie Pancetta und seltener den Lardo verwendet, hat verschiedene Gründe: Erstens gibt es gar nicht genügend Guanciale, da er nur in einzelnen Regionen produziert wird, zweitens ist sein Preis nicht für alle Geldbeutel geeignet und drittens ist er längst nicht überall erhältlich und viertens sind sich auch die Italiener nicht immer so ganz einig.
Auch beim Käse gibt es Abweichungen: Es wird nicht selten Parmesan oder Grana padano an Stelle von Pecorino romano verwendet. Und selbst in der Lombardei gibt es eine beträchtliche Gemeinde von Liebhabern, welche den Sbrinz bevorzugen und zwar seit Jahrhunderten!
Sogar Knoblauch und Zwiebeln kommen sehr gelegentlich vor. Ich habe Versuche gemacht mit gepresstem Knoblauch und muss zugeben, er hat mir sehr gut gemundet. Ein Gourmet weiss, dass es Interpretationen gibt. Er weiss aber auch, wo deren Grenzen sind.
Die Zubereitung einer Carbonara hängt somit ganz offensichtlich davon ab, was die Geschmäcker so wünschen, was verfügbar, was bezahlbar oder was Familientradition ist und gelegentlich auch, was ein besonders guter Koch oder eine Köchin aus dem Gegebenen hervorzaubert.
Die Carbonara nördlich der Alpen
In der deutschsprachigen Schweiz, in Liechtenstein, Österreich und Deutschland sowie im Südtirol enthält das Gericht je nach Gegend zusätzlich noch Rahm (Sahne), teils süssen Rahm, Knoblauch, Muskat, Peterli und vereinzelt auch noch Zwiebeln. Ferner wird der Speck oft durch Kochschinken oder Schinkenspeck ersetzt oder ergänzt und beim Käse nimmt man Parmesan, Grana padano oder sogar Sbrinz, was ganz klar Lichtjahre weg vom gegenwärtig im Latium üblichen Rezept liegt.
Dazu kam es weil der einfache Koch bei der Carbonara in seiner Gefangenheit der lokalen Küche und in seiner Unbeholfenheit kurzerhand eine Anpassung an die hiesigen Kochgewohnheiten vornahm, im Glauben es entspräche dann besser dem lokalen Geschmack. Viele deutsche, österreichische und deutschschweizerische Rezepte weisen seither eine teils kaum mehr zu übertreffende Abweichung gegenüber der dem römischen Carbonara-Rezept innewohnenden Italienität auf. Dieses zeigt, dass man nicht nur in Italien, sondern auch nördlich der Alpen das Carbonara-Rezept interpretiert. Daher sollte man den in Italien üblichen Grundsatz beherzigen und allzuweit gehende Abweichungen in der Rezeptbezeichnung besser zum Ausdruck bringen. Fast alle nordalpinen Varianten der Carbonara sollte man umbenennen und dafür künftig die Bezeichnung "Pasta alla Panna" oder "Spaghetti an Schinken-Rahmsauce" benützen. Diesen Vorschlag machte schon Nicole am 5. März 2019 unter https://www.princess.ch/blog/spaghetti-carbonara-italienisch-ohne-rahm/. Dem schliesse ich mich an mit der Ergänzung, dass man eine solche Carbonara auch Spaghetti Panna e Procsciutto nennen könnte. Dieses Rezept gibt es nämlich auch in Italien.
In Italien legen die Puristen grossen Wert darauf, die traditionellen italienischen Rezepte so authentisch wie möglich zuzubereiten. Ein Auge zugedrückt wird nur, wenn es sich bei der Abweichung um eine künstlerische Interpretation handelt, wenn es der Küchenschrank oder der Geldbeutel nicht anders erlaubt oder wenn es jemandem so nicht schmeckt oder wenn eine alte Familientradition es anders verlangt.
Es ist keineswegs so, dass man in Italien vom Südtirol bis Kalabrien und vom Piemont bis Friaul-Julisch Venetien nur eine einzige Zubereitungsart als authentisch anerkennt. Da liegen sich auch die Italiener nicht selten in den Haaren. Da die Carbonara aber im Latium entstanden ist, gilt die dortige Zubereitungsweise anerkannterweise als Vorbild und die geht von Guanciale, Pecorino romano, Ei und Pfeffer aus.
Weitere Hinweise zu den einzelnen Zutaten
- Teigwaren: Es sei nochmals betont: Es geht hier nur um die vier Gerichte Carbonara, Gricia/Griscia, Cacio e Pepe und Amatriciana. Einig ist man sich aber, dass diese Gerichte besser mit langen und nicht mit kurzen Teigwaren zubereitet werden sollten und dass man solche ohne Eierzusatz benützt.
- Käse: Erste Wahl ist der Pecorino romano, das ist der im Latium bevorzugte Schafkäse. Er verleiht dem traditionelle Rezept den authentischen Geschmack. Doch gibt es viele Liebhaber, welche die Gerichte lieber mit dem milderen Parmesan oder mit Grana padano mögen und es gibt auch Leute, welche die Käse mischen. Grund ist der Umstand, dass der Pecorino romano von vielen Leuten als etwas scharf oder als säuerlich empfunden wird. Wer nicht auf den Schafskäse verzichten will, aber den säuerlichen Geschmack oder die Schärfe des Pecorino romanos nicht mag, kann auf den jungen Pecorino dolce ausweichen. Zur Not sei auf den spanischen Manchego verwiesen, der ist so mild, dass ihn mein Sohn schon im Alter von zwei Jahren sehr gerne ass.
- Speck: Erste Wahl ist der Guanciale, es ist der Speck aus der Schweinsbacke und er gilt im Latium schon fast als ein Muss. Er hat einen sehr angenehmen Geschmack. Pancetta ist Bauchspeck vom Schwein und kommt erst an zweiter Stelle. Pancetta wird ähnlich hergetellt und hat einen ähnlichen Fettanteil, ist aber etwas weniger würzig. Grundsätzlich wird gesalzener, luftgetrockneter, nicht geräucherter, nicht gebeizter Speck benützt. Der erfahrene Koch kennt die Gründe.
- Eier: Man nehme Eier von der Freilandhaltung und vor allem solche, wo die Hühner noch mit Körnern und nicht mit Fischmehl gefüttert werden. Ein aromatisches Ei hat bei diesem Gericht einen ganz erheblich Einfluss auf den Geschmack. Man kann das ganze Ei benützen oder nur das Eigelb oder man nimmt mehr Eigelb als Eiweiss.
- Knoblauch und Zwiebeln werden im klassischen Rezept aus dem Latium nicht oder nur selten erwähnt, obwohl man sie in Italien sonst zu fast allem benützt. Liebhaber dieser beiden Würzgemüse werden sich nicht davon abhalten lassen, sie dennoch zu benützen. Julian Bottti zeigt auf der Website "Schlaraffenwelt.de" eine schlaue Methode, wie man zumindest die feinen Aromen des Knoblauchs und der Zwiebel dennoch in das Gericht hineinschmuggeln kann: Man brät sie in groben Stücken zusammen mit dem Speck solange mit, bis sie golden sind und entfernt sie dann wieder aus der Pfanne. Diesen Trick findet man auch im Kochbuch "La Cucina". Damit dies leicht möglich ist, werden sie eben nur grob geschnitten.
- Pfeffer: Man benützt in aller Regel frisch gemahlenen schwarzen Pfeffer.
Der Beitrag wurde zuletzt am 5.7.2021 nachgeführt.
Quellen:
- OGS-eigene - Wikipedia unter Ada Boni und Carbonara - https://www.princess.ch/blog/spaghetti-carbonara-italienisch-ohne-rahm/ - Gustini - zahlreiche Zubereitungsvideos unter youtube - https://ricette.giallozafferano.it/Spaghetti-alla-Carbonara.html - https://www.associazioneamicidigrisciano.it/la-storia-della-pasta-alla-griscia/ - https://www.italianisiert.de - Schlaraffenwelt.de