OGS Seebach - Beitrag

Weishaupt, Karl (Vertreter)
Personen – Übrige – historisch
Schönauring 50 (1.10.1949-31.3.1955). Karl Weishaupt war verheiratet. Seine Frau war voll berufstätig. Sie hatten 3 Kinder, ein Mädchen namens Ines und zwei Buben, der ältere hiess René, der jüngere Fredi. Damals sagte man solchen Kindern Schlüsselkinder und das gängige Vorurteil lautete, dass dies für die Erziehung der Kinder nicht so gut sei. Im vorliegenden Fall war das Vorurteil aber völlig unbegründet, denn alle drei waren sehr anständige und erstklassig erzogene Kinder. Dafür sorgte die Mutter mit viel Strenge, wenn sie von der Arbeit nach Hause kam. Nicht selten hörte man sie mit den Kindern schimpfen, meist weil sie ihre Ämtli, welche sie ihnen gab, wie etwa im LVZ einkaufen gehen, Betten machen, Abstauben, Abwaschen, sauber Ordnung halten in ihren Kinderzimmern usw. nicht ordentlich genug erledigt hatten.

Da alle bereits zur Schule gingen, beschränkte sich ihr Unbewachtsein lediglich auf den Mittwoch Nachmittag und die Zeit nach der Schule bis zur Heimkehr der Mutter. Ob die Kinder über Mittag selber kochen mussten, weiss ich nicht mehr. Doch scheinen sie davon etwas verstanden zu haben. Im Prinzip durften die Kinder niemand in die Wohnung herein lassen, doch Fredi und René machten da mit uns Nachbarkindern manchmal eine kleine Ausnahme. So sah ich die tadellos herausgeputzte Stube, welche die Kinder nur kurz benutzen durften. Es waren, wie damals üblich, alles dunkelbraune Möbel, nur einfach einen schönen Tick nobler als bei uns zu Hause. Die beiden Fauteuils waren mit edlem Stoff bezogen und ebenfalls der Divan, wie die Weishauptbuben dem Gautsch sagten und den sie kaum zu berühren wagten. Bei uns zu Hause war das ganz anders, wir durften darauf rumtollen. Sogar ein Spinnrad zierte die kleine Stube und ein Nordmende-Radio, das viel eindrücklicher war als unser Philips-Gerät. Ferner gab es einen kleinen Salontisch, eine Ständerlampe und ein Büffet.

Die Weishaupts hatten einen gewissen Einfluss auf mein späteres Leben, wenn auch nur in ein paar kleinen Dingen. So war ich einmal zugegen, als die Buben unter der Anleitung von Schwester Ines Nidelzältli machten, die wir danach gemeinsam essen durften. Das war dann der Auftakt, dass ich zuhause meine Mutter bat, ebenfalls Nidelzeltli zu machen, doch war ihr das meist zu teuer und auch zu aufwändig. Seit 1955 kaufte ich sie daher mit meinem Taschengeld als Mi-Ka-Mu bei Migros oder in anderen Läden und dabei blieb es bis heute, ganz so, als wäre ich immer noch ein Kind, das gerne süsse Zeltli nascht.

Die Weishaupts hatten einen gepflegten Garten rund um die Terrasse. Karl Weishaupt war ein ziemlich stiller Mann. Insofern war er geradezu der Kontrapunkt zu seiner Frau, welche oft etwas vernehmlicher war. Dass es den Kindern oblag, dort regelmässig zu jäten, muss wohl kaum erwähnt werden, doch bei der Pflege der Pflanzen rund um das Haus legte vor allem er Hand an und man sah ihn recht oft bei dieser Arbeit. Er schien viel Freude gehabt zu haben an den Pflanzen. Auf der Nordseite der Wohnung befand sich der Hauseingang. Dort pflanzte er im Frühling eine besondere Art von Kletterkapuziner, einer Pflanze, welche grosse, runde, hellgrüne Blätter hatte und viele orangefarbene Blüten hervorbrachte, die mir ganz besonders gut gefielen. Karl Weisshaupt schien vom Gärtnern auch etwas verstanden zu haben, denn so grosse Blätter und so schöne Blüten habe ich bei anderen Kapuzinern nie mehr gesehen. Die schönen Blumen haben es mir dann nachhaltig angetan, wann immer ich sie woanders sah, war ich begeistert. Seit 1968 bis heute zieren sie auch meine Balkonpflanztröge und ich kann mich an den schönen Blüten kaum satt sehen. Obwohl sie nicht als winterfest gelten, habe ich im Laufe der Jahre durch Beobachtung eine Methode entwickelt, wie sie auch in Balkontrögen sicher überwintern. Das hat den Vorteil, dass dann die Pflanzenknöllchen selber entscheiden können, wann es Zeit ist, auszuschlagen. Die Tricks verrate ich gerne: Möglichst grosse Pflanztröge benützen. Im Spätherbst nach dem Rückschnitt die getrockneten Samen mit den Fingern etwas in die Erde stecken. 1-2 Stück pro qdm genügen. Mit Kieferholzrinde kräftig mulchen.

Fredi Weisshaupt hatte um 1950 herum vermutlich eine Erkrankung der Atemwege, denn er musste daraufhin für ein paar Monate in ein Kindererholungsheim nach Minusio bei Locarno. Das Heim gehörte der Stadt Zürich und diente ausschliesslich der Erholung von Stadtzürcher Primarschulkindern dank der Luftveränderung. Da ich im Winter 1951/52 eine Lungenentzündung hatte, war ich ebenfalls ein Kandidat für einen solchen Kuraufenthalt. Da meine Mutter wusste, dass der Nachbarbub aus dem gleichen Grund im Tessin war und putzgesund nach Hause kam, liess sie sich von Frau Weishaupt über das Heim informieren und so kam ich ein Jahr nach Fredi ebenfalls ins gleiche Heim nach Minusio TI. Fredi erzählte mir im voraus, wie schön es im Tessin sei und so freute ich mich sogar darauf, obwohl ich eigentlich lieber bei meiner Mutter geblieben wäre. Er gab mir auch den Tipp, mich unbedingt mit der Heimleiterin Frau Perrenoud und ihrer Stellverteterin Frau Ekkehard gut zu stellen. Das hat mich später vor etlichen Strafen wegen Unartigkeit bewahrt. Wegen den Kosten, welche meine Eltern für das Heim bezahlen mussten, war dann auch meine Mutter ein paar Monate lang gezwungen, arbeiten zu gehen und meine Geschwister wurden während dieser Zeit ebenfalls zu Schlüsselkindern. Sie haben es problemlos überlebt. Die Zeit in Minusio war sehr eindrücklich für mich und Fredi hatte völlig recht mit seinen Schilderungen. Seit 1957 verging fast kein Jahr mehr ohne diesen fast obligatorischen Tessinaufenthalt.

Das Kinderheim im Tessin hatte viel Umschwung und grenzte an die Bahnlinie der Verbindung Bellinzona-Locarno. Fredi machte mich noch rechtzeitig darauf aufmerksam, dass ich unbedingt auf die dort verkehrende Lok des Typs Re 4/4 I und die schönen Leichtstahlpersonenwagen achten sollte. Da ich bereits etwas angefresssen war von den Eisenbahnen, nahm ich seinen guten Tipp wahr und wenn mich der Heimbetrieb wieder einmal angurkte, begab ich mich an die Bahnlinie und wartete auf den nächsten Zug. Noch heute nehmen 7 Loks dieses Typs und Leichtstahlpersonenwagen auf meiner Eisenbahnanlage die Schlüsselfunktion wahr, ganz als ob es immer noch 1952 wäre. Fredi sei Dank!

Auch meine Vorliebe für die Schweizer Nationalwurst Cervelat nahm ihren Anfang bei den Weishaupts und das kam so: Da ich und mein kleiner Bruder nicht immer die pflegeleichtesten Buben war, setzte es ab und zu Strafen ab, indem meine Eltern entweder mich oder dann uns beide ohne Znacht ins Bett schickten. Einmal erzählte das meine kleine Schwester des Abends den Weisshauptbuben, worauf Fredi kurz entschlossen handelte, in die elterliche Küche eilte und etwas zu Essen zusammensuchte. Von draussen rief er dann meinen Namen. Meine Mutter hatte die Läden in unserem Schlafzimmer geschlossen, aber ein Fensterflügel offen gelassen, damit wir frische Luft hatten. So hörte ich Fredi meinen Namen rufen, stand auf, ging zum Fenster und sah durch die Lamellen der Läden den Fredi mit einem Cervelat und einem Gupf Brot bereit stehen. Sofort öffente ich die Läden und Fredi warf beides durchs Fenster. So hatten mein Bruder und ich dann doch noch etwas zu Essen. Man braucht kaum zu erwähnen, das dieser halbe Cervelat ganz besonders fein schmeckte und eine langanhaltende Wirkung hatte. Sie hält heute noch an, denn ich liebe den Cervelat nach wie vor, heute vor allem gebraten vom Grill zusammen mit Kartoffelsalat.

Leider zogen die Weisshaupts vermutlich im Frühling 1955 weg und mit ihnen auch die beiden Buben, mit denen wir so gerne spielten. Sie sind mir bis heute in bester Erinnerung geblieben. Neue Nachbarn wurde dann die Pfisters, mit denen ich ebenfalls gut auskam, doch schon im November 1955 zogen wir dann vom Schönauring weg in die Buchwiesen.

Quellen:
- OGS-eigene

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